Essen. . Der Wuppertaler Bünyamin Erdogan starb in Pakistan durch eine US-Drohne. Möglicherweise hat das Bundeskriminalamt seinen Aufenthaltsort den amerikanischen Behörden verraten. Angeblich hatte der Deutsch-Türke einen Anschlag in NRW geplant.

Sind Bundesbehörden für den Tod des 20-jährigen Wuppertalers Bünyamin Erdogan mitverantwortlich, der am 4. Oktober 2010 durch eine US-Drohne in den Bergen Pakistans starb?

Ein Bericht des „Stern“ legt jedenfalls nahe, dass Berlin die Amerikaner über den Aufenthaltsort des Deutschtürken im Terrorlager Mir Ali informiert haben könnte, den das Bundeskriminalamt zuvor über ein abgehörtes Telefonat ermittelt hatte.

Das wäre ein rechtlich wie politisch hoch brisantes Vorgehen, weil Erdogan deutscher Staatsbürger war. Die Bundesregierung hatte solche Vorwürfe bisher strikt zurückgewiesen. Auch eine Anzeige eines Frankfurter Juristen gegen BKA-Chef Jörg Ziercke in diesem Zusammenhang ist seit längerem eingestellt.

Anschläge mit „80 bis 90 Toten“ geplant

Nach Unterlagen des Stern hat das BKA bereits am 7. September 2010 durch das abgehörte Telefonat von islamistischen Anschlagsplänen erfahren und auch davon, dass Bünyamin Erdogan bei diesen Planungen eine wichtige Rolle spielen sollte. Der Abgehörte war Bünyamins Bruder Emrah. Er habe aus Pakistan in Wuppertal angerufen und der Familie erzählt, es seien Anschläge in Afghanistan „mit 80 bis 90 Toten“ geplant.

Als die Drohne in den Lehmbau in Mir Ali einschlug, wo Mitglieder der El Kaida-nahen „Islamischen Bewegung Usbekistan“ ausgebildet wurden, tötete sie Bünyamin Erdogan und Shahab Dashti, einen Deutschen, der mit Bünyamin wenige Wochen zuvor aus Hamburg in das Lager gekommen war. Auch drei weitere Islamisten kamen in der Hütte um. Der ältere Bruder, dessen Telefonat abgehört worden war, hat den Angriff nach WAZ-Informationen in einem Nachbarraum nur deshalb überlebt, weil er dort mit seiner Ehefrau sprechen wollte.

Anders als der „Novize“ Bünyamin gilt Emrah Erdogan als gleichermaßen wichtige wie schillernde Figur in der terroristischen Szene. Er war im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel früh durch Kleinkriminalität auffällig geworden und dort auch im Umfeld einer Moschee weit eher radikalisiert worden als sein jüngerer Bruder. Die Unterschiede zwischen den beiden hat einer der Arbeitgeber, der Velberter Bauer Friedrich Bleckmann, kurz nach dem tödlichen Drohnenangriff der WAZ so geschildert: „Bünyamin war wie ein kleiner Junge. Höflich, schüchtern und bescheiden“.

Kontakte zu El Kaida

Doch der Tod des Bruders muss bei Emrah einen Sinneswandel oder auch Ängste ausgelöst haben. Mehrfach kontaktierte er in der Folgezeit aus Pakistan deutsche Sicherheitsbehörden und auch den grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele. Er gilt seit längerem als einer der Urheber des groß angelegten Terroralarms im Herbst 2010, den der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auslösen ließ.

Emrah Erdogan berichtete von angeblich bevorstehenden Anschlägen der El Kaida: Zum Beispiel auf den Reichstag, laut Stern auch über ein Selbstmordattentat, das die Terrororganisation auf den NRW-Tag in Siegen geplant haben soll (siehe Infobox). Dort kam es aber zu keinem Vorfall. Später brach der Kontakt zu ihm ab. Der letzte Anruf kam vom Flughafen Nairobi in Kenia. Seither ist Emrah Erdogan offenbar in Ostafrika verschwunden, wo sich derzeit eine El Kaida-Zelle verstärkt.

Islamisten auf Reisen

Eindeutig ist die Einbindung der beiden Wuppertaler Brüder in die große von El Kaida angeordnete „Ausreisewelle“ von Islamisten aus Deutschland seit 2010. Mindestens 300 sogenannte „Gefährder“ sind seither in Lagern nahe der pakistanisch-afghanischen Grenze für Terroranschläge gegen alliierte Soldaten in Afghanistan und in Europa ausgebildet worden.

Ein Teil ist zurückgekehrt und steht nach Informationen von Sicherheitsbehörden unter Beobachtung.