Bochum. . In dem grauen Betonkasten mit der Hausnummer Querenburger Höhe 97 hat sich Halil S. offenbar sicher gefühlt. Doch am Mittag stürmte eine GSG-9- Einheit das Appartment mit der Nummer 622 und nahm den 27-Jährigen fest. Er steht im Verdacht, zur Bochumer Terror-Zelle zu gehören.

Zum Verwechseln ähnlich, immer in diesem stumpfen 70er Jahre-Orange getüncht, sind die Türen in diesem grauen Betonkasten mit der Hausnummer Querenburger Höhe 97. Doch die GSG-9-Einheit lässt sich dadurch nicht sonderlich irritieren.

Zielsicher stürmen die schwer bewaffneten Männer das Appartement mit der Nummer 622 – kurz vor Mittag ist das an diesem kalten Dezembertag. Widerstandlos lässt sich der 27-jährige deutsche Staatsbürger Halil S. festnehmen. Er sei zu diesem Zeitpunkt allein im Appartement gewesen.

Der Mann steht im dringenden Verdacht, von dem im April festgenommenen ehemaligen Bochumer Studenten Abdeladim El-K. rekrutiert worden zu sein, um Geld zu beschaffen. Ebenfalls zur Zelle sollen der seitdem in U-Haft sitzende Bochumer Schüler Amid. C. (19) und der Deutsch-Marokkaner Jamil S. (31) gehören.

"Das ist doch total anonym hier"

Es ist dies ein Terrorversteck wie aus dem Lehrbuch. Über 500 Studierende wohnen in diesem aus drei Gebäuden bestehenden Wohn-Komplex am Rande des Uni-Centers. Die Anlage aus dem Jahr 1972 wurde 1996 saniert. Es sind 225 Euro im Monat zu berappen, für 17 Quadratmeter plus Einheitsnasszelle, man kennt das. Die Lage: Ideal für Leute, die anderes im Schilde führen als zu studieren. Es gibt eine Art Tiefgaragenzufahrt und ein versteckter Hintereingang ermöglicht das unauffällige Betreten und Verlassen des Hochhauses.

Melissa (19) und Arnold (20) studieren Maschinenbau und kommen nachmittags von der Uni zurück. „Wir haben überhaupt nichts mitbekommen, kennen kaum die Nachbarn. Das ist doch total anonym hier“, sagen beide und sind erstaunt über das Polizeiaufgebot. Sie kommen nur zu ihren Zimmern, wenn sie sich ausweisen können.

Kamerateams und Pressefotografen, die den Eingang umlagern, werden von gelassenen Einsatzkräften zurückgehalten. Wer trotzdem hineingelangt, sieht sich vor den Treppen und an den Aufzügen uniformierten Beamten gegenüber. Auf besorgte Fragen, was denn hier los sei, gibt es stereotype Antworten wie: „Es brennt nicht. Sie sind hier sicher.“ Die sechste Etage bleibt bis zum Abend komplett dicht.

Angeblich Anschlag auf Weihnachtsmarkt geplant

Bereits genug gesehen haben am späten Nachmittag offenbar die in ihren dezent unauffälligen Zivilwagen vorgefahrenen BKA-Kräfte. Sie haben einiges sichergestellt. Der schwarze Lieferwagen ist gut beladen, beinahe wie bei einem Umzug.

Für Aufregung sorgte am späteren Nachmittag die Meldung eines Nachrichtenmagazins, dass die Terror-Zelle angeblich einen Anschlag auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt plane. Allerdings wurden diese Meldungen von der Bundesanwaltschaft und der Polizei vor Ort keineswegs bestätigt. Gerade vor dem Hintergrund, dass aufgrund der Einslive-Krone-Show Fans und Musiker nach Bochum kamen, sorgten die Berichte für große Aufregung.

Aus Ermittlerkreisen erfuhr die Redaktion, dass man mittlerweile fast von einer Bochumer Zelle reden könne. Am Donnerstag wurden insgesamt vier Objekte in Bochum durchsucht, die der jetzt Festgenommene angemietet hatte. Außerdem soll bei der Festnahme des ebenfalls zu dieser Terrorzelle zugeordneten 19-jährigen Schülers Amid C. am 29. April in einem Hochhaus nur wenige Kilometer entfernt in der Hustadt ein weiterer Bochumer im Visier der Fahnder gewesen sein. Diesen Mann hätte man damals wieder freilassen müssen.

Nur die Spitze des Eisbergs

Es ist dies die zweite Festnahme eines Al-Kaida-Verdächtigen in Bochum binnen weniger Monate. Erst vor einigen Wochen hieß es von der Bundesanwaltschaft aus Karlsruhe, dass es dauern könne, bis Anklage erhoben werde, gegen die drei Untersuchungshäftlinge, der am 29. April, festgenommenen mutmaßlichen Al-Kaida-Mitglieder, darunter der ehemalige Bochumer Schüler Amid C. (19).

Nach der bundesweiten Anti-Terroraktion vom Donnerstag wird klar, dass wohl im April nur die Spitze des Eisbergs angekratzt worden war. Monatelang überwachten die Spezialkräfte den jetzt festgenommenen Halil S. . Seit Mitte April soll er Namen und Kontodaten von 45 Personen besorgt haben, um damit für die Finanzierung der Untergrundzelle zu sorgen.

Wohnungen unter falschem Namen angemietet

Im Schatten der Ruhr-Universität und in der Anonymität des Uni-Centers und der benachbarten Hustadt wähnte sich die Gruppe offenbar so sicher, dass Halil S. und weitere Tatverdächtige ihre Ziele weiter verfolgten.

Unter anderem soll er sich gefälschte Ausweise beschafft haben und unter falschen Namen mehrere Wohnungen im Ruhrgebiet für die Vorbereitungen eines Anschlags angemietet zu haben.

Zeitgleich wurden insgesamt 16 Wohnungen, davon vier in Bochum, und zwei Geschäftslokale durchsucht. Darunter, so teilte die Bundesanwaltschaft am Nachmittag mit, auch die Wohnungen von fünf weiteren Tatverdächtigen aus dem Umfeld des Bochumers.