Berlin. . Die Innenminister von Bund und Ländern wollen die NPD verbieten. Die Entscheidung über ein Verfahren soll erst nach eingehender Prüfung fallen. Derzeit sammelt Bundesinnenminister Friedrich Beweise, die einen Verbotsantrag ermöglichen sollen. Das ist aber nicht einfach.

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen die NPD verbieten. Morgen werden sie auf einer Sonderkonferenz den Auftrag geben, Beweise für ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu sammeln. Letzte Woche hatten sie eine wichtige Voraussetzung für einen Erfolg geschaffen und verabredet, alle V-Leute in den Vorständen der NPD „abzuschalten“. Aber ein Antrag müsse gut vorbereitet werden, sagte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) am Dienstag. Deutlicher wurde sein Kollege aus Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU). Er warnte davor, ein Verbot allein aus „fahrlässiger Leidenschaft“ zu betreiben. Beide wollen sich in jedem Fall noch Zeit lassen.

Die nun beginnende juristische Prüfung dürfte sich sechs Monate oder länger hinziehen. So lange sollen Bund und Länder die Entscheidung offen lassen. Erst am Ende wird das Prozessrisiko abgewogen und kommt es politisch zum Schwur. Er gehe davon aus, dass die Regierungschefs der Länder ihren Ministern folgen werden, sagte Friedrich in Berlin.

Beratung nächste Woche

Schon nächste Woche wollen die Ministerpräsidenten der Länder über ein Verbot der NPD beraten. „Ich kann den Ländern nicht einen Alleingang empfehlen“, warnte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Bund und Länder würden auch gemeinsam die Folgen tragen.

Wie zerrissen die Innenminister sind, machte Sachsen-Anhalts Ressort-Chef Holger Stahlknecht klar. Es gebe einen Unterschied zwischen dem politischen Willen und dem juristischen Können. „Der Schaden eines Scheiterns wäre immens“, gab auch Friedrich zu bedenken.

Laut Friedrich steht die NPD unter dem Anfangsverdacht, dass sie sich auf aggressiv-kämpferische Weise gegen den Staat verhalte. Dann sei es politisch gerechtfertigt, ein Verbot zu beantragen. Für Stahlknecht wäre es ein politisches Signal. Ein Verbot allein werde nicht ausreichen, das rechtsradikale Gedankengut aus dem Land „auszutreiben“, sagte Friedrich.

Er und Stahlknecht werden ihren Kollegen einen rund 60 Seiten langen Bericht vorlegen. Sie schlagen darin die Kriterien für ein Verfahren vor. Danach wird das Beweismaterial gesammelt und geprüft. Die Kriterien ergeben sich aus der Analyse des Scheiterns des letzten NPD-Verbotsantrags im Jahr 2003.

Die Kriterien für ein Verbot

Erstes Kriterium: Die NPD muss verfassungsfeindlich sein. Da fühlen sich die Fachleute auf sicherem Boden. Sie können – rückwirkend – auf Erkenntnisse bis 2008 zurückgreifen.

Zweites Kriterium: das Gebot der Verhältnismäßigkeit, ein ehernes juristisches Prinzip. Man muss beweisen, dass die NPD auf aggressiv-kämpferische Weise gegen den Staat vorgeht und dabei erfolgreich sein könnte. Kurzum: Ist Gefahr in Verzug? Das ist eine Frage, der nicht nur die Karlsruher Richter nachgehen werden. Die NPD hat angekündigt, ein Verbot vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anzufechten. In neun ähnlich gelagerten Fällen haben die Straßburger Richter acht Mal gegen ein Verbot entschieden.

Drittes Kriterium: die Staatsferne. Der Begriff besagt, dass für die Verfassungsrichter ersichtlich sein muss, welche Positionen der NPD selbst zuzuschreiben sind und was eventuell von Informanten des Verfassungsschutzes beeinflusst worden ist. Die Richter wollen sicher gehen, dass nicht V-Leute die NPD zu Gewalt anstacheln. Das bedeutet in der Folge, dass kein „verseuchtes Material“ vorgelegt werden darf und auf Drängen der Richter für jeden Beweis Quellen genannt werden.

Enttarnung umstritten

Spätestens die Anwälte der NPD würden auch darauf drängen. Friedrich würde für ein Verbot nur Material benutzen, wenn die Quellen offengelegt werden. Darüber droht Streit zwischen den Innenministern. Ob V-Leute enttarnt werden müssten, ist auch juristisch umstritten wie der Vergleich mit dem Strafrecht zeigt. Bei Verfahren gegen die Organisierte Kriminalität werden auch nicht die Klarnamen der verdeckten Ermittler genannt.

Ein Verbotsverfahren kann sich jahrelang hinziehen. Minister Stahlknecht geht von fünf Jahren aus. Entscheidend ist übrigens das Verhalten der NPD zum Zeitpunkt des Richterspruchs. Im Klartext: Auch die NPD kann den Ausgang beeinflussen, wenn sie sich politisch zahm gibt. In der Partei läuft schon diese Debatte.