Berlin. . Die Finanzierung der politischen Jugendorganisationen der Parteien, wie Jusos, Julis oder Junger Union, steht auf der Kippe. Im Rechtsstreit zwischen der Linksjugend „Solid“ und dem Bundesfamilienministerium von Kristina Schröder (CDU) steht der Verdacht der Verfassungswidrigkeit im Raum.

Den Jugendorganisationen der politischen Parteien drohen erhebliche Finanzeinbußen. Ihre öffentliche Förderung steht im Verdacht der Verfassungswidrigkeit.

Die Schatzmeister der Nachwuchsgruppierungen sind alarmiert, seit im gerichtlichen Verfahren um Ansprüche der Linksjugend „Solid“ der Vorsitzende Richter von „verdeckter Parteienfinanzierung“ sprach. „Ein Wegfall der Förderung“, so sagt es Jens Parker für die Grüne Jugend (GJ) im Gespräch mit der WR, „hätte strukturell gravierende Auswirkungen.“ Die öffentlichen Fördermittel machten ein Drittel der jährlichen Einnahmen aus, die Parker im Haushalt verbucht.

„Wir würden unsere Arbeit nicht vollständig einstellen“, sagt Johannes Wolf von den „Jungen Liberalen“ (Julis). Allerdings „fiele eine wichtige finanzielle Quelle für unsere politische Jugend- und Bildungsarbeit weg“.

„Für uns trifft das nicht zu“

Für die Junge Union fallen die Steuergelder noch stärker ins Gewicht. Die gut 470.000 Euro, die nach Auskunft von Bundesschatzmeister Ansgar Focke im vorigen Jahr eingingen, entsprachen 40 Prozent des Gesamthaushalts. Doch anders als sein grüner Amtskollege gibt sich Focke im Gespräch mit der WR gelassen. „Für uns trifft das nicht zu“, sagt er mit Blick auf die kritischen Einwände von Richter Schultz.

Reinhard Schultz leitet das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, in dem der seit Jahren schwelende Rechtsstreit zwischen dem Bundesfamilienministerium und der Linksjugend inzwischen ausgetragen wird. In der mündlichen Verhandlung sprach Schultz die mögliche Grundgesetzwidrigkeit deutlich an: „Wir tendieren dazu, hier eine verdeckte Parteienfinanzierung zu sehen.“

Schultz verwies auf die fehlende organisatorische und inhaltliche Trennung zwischen der Arbeit der Jugendorganisationen und ihren Mutterparteien. Genau da hält JU-Schatzmeister Focke dagegen: „Wir sind organisatorisch und räumlich von der CDU getrennt, wir sind eine eigenständige Vereinigung. Wer bei uns Mitglied ist, ist zudem nicht automatisch auch Mitglied der CDU.“

Eingetragener Verein

Die Jungsozialisten (Jusos) hingegen sind eine Arbeitsgemeinschaft der Partei. Mitglieder unter 35 Jahren gehören in der Regel auch den Jusos an. Bei der Linkspartei wiederum legt Solid-Schatzmeister Jasper Prigge wert auf die Feststellung, dass es keine Automatik der Mitgliedschaft gebe und die Linksjugend auf Bundesebene (und „bald auch auf Landesebene“) ein eingetragener Verein sei. Auch bei den Jungen Liberalen steht das entsprechende Kürzel „e. V.“ im vollständigen Namen.

Bedenken hatte Richter Schultz auch an anderer Stelle. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Mittel „nach Proporz“ verteilt würden, lautete das eine. Ein weiteres: Dem Ministerium und seinen nachgeordneten Behörden stehe eine politische Kommentierung der Jugendarbeit nicht zu.

Das heute von Kristina Schröder (CDU) geführte Bundesfamilienministerium lehnt seit Jahren eine Förderung der Linksjugend ab. Die Begründung, die den Rechtsstreit 2006 ins Rollen brachte, hieß: Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen. Das halten drei der vier im „Ring politischer Jugend“ vertretenen Nachwuchsgruppierungen für absurd. Sie üben Solidarität mit Solid und sind bereit, den Kuchen der Fördermittel mit ihnen zu teilen.

„Anti-demokratischer Einfluss“

Die Junge Union hält dagegen. „Wir sind strikt dagegen, dass Solid aufgenommen wird“, sagt Ansgar Focke im Gespräch mit der WR. In der Satzung des 1950 gegründeten RPJ werde gleich zu Beginn das Ziel formuliert, dass „anti-demokratische Einflüsse auf die junge Generation verhindert“ werden.

Im RPJ herrscht das Einstimmigkeitsprinzip. Die Junge Union kann mit ihrem Veto die Erweiterung des Kreises verhindern. Dort läuft die Verteilung der Fördermittel seit Jahren einvernehmlich. Die zwei „Großen“, Jusos und JU, und die zwei Kleinen, GJ und Julis, teilen die Zuwendungen aus dem Programm „Jugendverbandsarbeit“ brüderlich. Nach Auskunft des Ministeriums erhalten die beiden Großen im Jahr 2012 je 454.230 Euro, die kleinen je 158.270 Euro. Aus dem Programm „Internationale Jugendarbeit“ fließen den Angaben zufolge zusätzlich für 2012 an die Jusos 36.500 Euro, an die JU 44.250, an die Julis sowie die Grüne Jugend je 6200 Euro.

„Freiwillige Leistung“

Die Jugendorganisationen der politischen Parteien werden nicht nur vom Bund, sondern auch von den Ländern finanziell gefördert.

NRW unterstützt mit dieser „freiwilligen Leistung“ gemäß dem Kinder- und Jugendförderplan des Landes die Mitgliedsverbände des Rings Politischer Jugend (RPJ), sofern sie Jugendorganisationen der im NRW-Landtag oder im Bundestag vertretenen Parteien sind und über mehr als 1500 Mitglieder in NRW verfügen.

Die bereitgestellten Geldmittel dienen der Finanzierung von Fachkräften der Jugendarbeit und der Durchführung von Angeboten der politischen Bildung. Die Verteilung der jährlichen Fördermittel beschließen die Mitgliedsverbände des RPJ.

Im Haushaltsjahr 2011 stellte das Land insgesamt 1,05 Millionen Euro zur Verfügung. Davon erhielten Jusos und JU je 38,9 Prozent (408 450 Euro), Julis 12,2 Prozent (128 100 Euro) und die Grüne Jugend zehn Prozent (105 000 Euro).

Ein Urteil will das Gericht nächste Woche verkünden. Die Parteien sollten Zeit haben, sich auf einen Vergleich zu verständigen. Doch Schröders Ministerium winkt gegenüber der WR ab. „Wir warten auf den Wortlaut des Urteils.“

Ärgernis auch in Nordrhein-Westfalen

Die Vergabe der Fördermittel für politische Jugendarbeit ist auch der Linksjugend in NRW ein Ärgernis. Der Düsseldorfer Jasper Prigge, Bundesschatzmeister von Solid, spricht von „Intransparenz“ und „Klüngel“ bei der Vergabe der Gelder.

Auch in NRW habe der Ring politischer Jugend (RPJ) die Aufnahme von Solid abgelehnt. Zuwendungen aus dem Landeshaushalt seien aber nur auf diesem Weg zu erlangen. „Da wird versucht, die kritische Jugend kaltzustellen“, sagt Prigge im WR-Gespräch.

Er hinterfragt die Kriterien, wonach erstens nur Jugendorganisationen der in Bundes- oder Landtag vertretenen Parteien gefördert werden, die zweitens mindestens 1500 Mitglieder haben. „Das ist seit Jahren nicht geprüft worden“, sagt Prigge, „das Ganze ist ziemlich obskur.“