Duisburg. . Die Sekundarschule ist in NRW beschlossene Sache – nach langem Streit zwischen den Landtagsfraktionen. Doch was halten Jungpolitiker in Duisburg von dem Kompromiss? „Ein erster Schritt“ finden die einen, „eine Notlösung“, sagen andere.

Nach langwierigen Streitigkeiten haben die rot-grüne Minderheitsregierung und die CDU die Einführung der Sekundarschule beschlossen. Sie ermöglicht längeres gemeinsames Lernen aller Schüler in der fünften und sechsten Klasse. Die Redaktion befragte Mitglieder der Jugendorganisatoren der SPD, die Jusos, der CDU, Junge Union, der Linken, die Linksjugend „solid“ sowie die FDP, wie sie zur neuen Schulform stehen.

„Als ersten Schritt zum besseren Schulsystem finde ich die Einführung der Sekundarschule wirklich gut“, meint Benedikt Falszewski, Chef der Jusos. Die Sekundarschule bringe viele Vorteile mit sich. „Durch die kleineren Klassenverbände ist eine individuellere Förderung der Schüler möglich. Außerdem gibt es eine breitere Palette von Fortbildungsgängen für Lehrkräfte.“ Trotz der positiven Veränderungen finde er es sehr schade, dass an der Sekundarschule keine Oberstufe angeboten werden soll. „Aber das Konzept kann im Laufe der nächsten Jahre natürlich noch verbessert werden.“

Hoffen auf „Öffnungsklausel“

Grundsätzlich sei es zu begrüßen, wenn der Kalte Krieg in schulpolitischen Kernfragen zumindest innerhalb des politischen Mittelfeldes (vorrangig CDU : SPD/Grüne) zu Ende geht, sagt der Leiter der Gesamtschule Walsum, Albert Bruckwilder.

Vordergründig sei damit vermutlich auch ein längerfristiger Schulfrieden auf Landesebene möglich. „Dennoch überwiegt bei mir derzeit die Skepsis. Viele beklagen seit vielen Jahren die Unübersichtlichkeit unseres deutschen Schulsystems mit über 90 Schulformen sowie die Vielzahl von Schulen mit Restschulcharakter oder die zunehmende Verwässerung der Schülerschaft an Realschule und Gymnasium – was zumindest in einem Widerspruch zu deren traditionellen Bildungsanspruch steht.“

In NRW schien man auf einem guten Weg die Vielzügigkeit durch einen behutsamen Übergang in ein „Zwei-Säulen-Modell“ zu reduzieren. „Ich kann nur hoffen, dass das neue Gesetz eine Öffnungsklausel für Kommunen enthält, bereits direkt größere Schritte in Richtung einer Reduzierung der Zügigkeit gehen zu können. Für die Lösung der aktuellen Duisburger Schulstrukturprobleme kann nicht bis 2023 gewartet werden.“

„Es ist eine gute Kompromisslösung auf die Frage, ob und in welcher Form Gemeinschaftsschulen eingeführt werden sollen“, erklärt Sebastian Geßmann, Vorsitzender der Junge Union Duisburg-Nord. Insgesamt sehe er die Idee als sehr vernünftig an. „Immer weniger Schüler besuchen Haupt- und Realschulen. Besonders Hauptschüler haben einen schwierigeren Einstieg ins Berufsleben, obwohl ihre Schulausbildung berufsorientiert war.“ Auch bei der Sekundarschule liege der Fokus auf einen berufsorientieren Schulabschluss. Daher sei es auch sinnvoll, keine Oberstufe anzubieten. Hierfür bestünden aber Kooperationen mit Gymnasien, an die qualifizierte Schüler nach der Sekundarstufe I wechseln können.

Kompromiss oder Notlösung?

„Die als Kompromisslösung umworbene Sekundarschule ist meiner Meinung nach eine einfache Notlösung“, kritisiert Betül Cerrah, Ratsfrau der FDP im Gegensatz dazu die Sekundarschule. „Die sinkenden Schülerzahlen an Hauptschulen haben uns ein Signal gegeben, dass eine Schulreform nötig ist. Dennoch ist diese Umentwicklung des Schulsystems nicht die richtige.“

Niemand, so Cerrah weiter, habe sich Gedanken über die Kompatibilität mit den bereits bestehenden Schulformen oder des benötigten Personals gemacht. Abgesehen von der individuellen Förderung gebe es keine für Schüler ersichtlichen Vorteile. „Das gemeinsame Lernen ist zwar ein schön und gut, dennoch hätte man nach Alternativen zur Sekundarschule Ausschau halten sollen. Beispielsweise hätte man Hauptschüler, die auf die Gesamtschule gewechselt sind, besser fördern können.“ Insgesamt erachte sie sowohl die Gemeinschafts- als auch die Sekundarschule als nicht überlebensfähig, so die FDP-Politikerin.

„Die Einführung der Sekundarschule ist überhaupt nicht zu vertreten. Diese neue Schulform steht neben Haupt-, Real-, Gesamtschule und dem Gymnasium,“ argumentiert Damira Schumacher von der Duisburger Linksjugend solid und scheint damit auf Cerrahs Seite. „Damit wird unser ohnehin kompliziertes Bildungssystem noch schwieriger zu begreifen. Besonders für Migranteneltern könnte es mühevoll werden, sich zurechtzufinden.“ Neben der Entstehung neuer sozialer Klassen, die vom Bildungsstand und Geldbeutel der Eltern abhängig seien, würden zum Beispiel Behinderte komplett außer Acht gelassen. „Je nach Grad der Behinderung besuchen sie weiterhin die Sonderschule. Nichtbehinderte lernen keinen Kontakt mit Behinderten. Das hat mit Integration sehr wenig zu tun.“