Essen. Die Sozialforscherin Jutta Allmendinger hält den klassischen Sozialstaat mit seinen Fürsorgeleistungen für unverzichtbar. Beim Sozialpolitischen Aschermittwoch in Essen übte sie heftige Kritik an der Bildungspolitik: 15 Prozent der Jugendlichen hätten kaum Chancen im jetzigen Bildungssystem.

Die Sozialforscherin Jutta Allmendinger hat scharfe Kritik an der Bildungspolitik geübt. Die „Kehrtwende“ in der sozialpolitischen Ausrichtung auf einen „präventiven“ Sozialstaat, der statt Transferleistungen auf eine bessere Bildung setze, sehe zwar auf den ersten Blick überzeugend aus, sagte sie in Essen. „Aber die Ergebnisse sind ernüchternd“, stellte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung beim „Sozialpolitischen Aschermittwoch“ der Kirchen fest.

15 Prozent der Kinder und Jugendlichen hätten wegen fehlender Bildung von vorneherein keine Chance auf gesellschaftliche Teilhabe, auf ein erfülltes Leben, in dem sie ihren Lebensunterhalt ohne Abhängigkeiten bestreiten könnten. Und solange dies so sei, könne nicht nur auf den Sozialstaat gesetzt werden, es brauche mehr Anstrengungen.

Zusammenhang zwischen Herkunft und Bildungserfolg durchbrechen

Es gehe nicht um ein Entweder-Oder. Es brauche höhere Sozialleistungen für Arbeitslose und sie fügte an: „Wir müssen wesentlich mehr Geld in die Bildung stecken als bisher.“ Bei den Universitäten gebe es Ko-Finanzierungen von Bund und Ländern, bei Kindergärten und Horten fehle das jedoch, kritisierte die Wissenschaftlerin. Die skandinavischen Länder machten das anders. Sie stellten Einzelbetreuung der Kinder kostenlos zur Verfügung. „Bei uns werden Studiengebühren abgeschafft“, Kindergärten und Horte seien aber längst nicht überall kostenlos.

Dabei, kritisierte Allmendinger, gehörten Studenten anders als kleine Kinder aus benachteiligten Familien, bereits zu denjenigen, die es unter Bildungs-Gesichtspunkten „geschafft“ hätten. Zudem hätten sie bessere Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. „Ich sehe nicht den Pakt über Parteien hinweg, über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg“, der sich für den Abbau der Bildungsarmut einsetze, kritisierte die Sozialforscherin. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg müsse endlich durchbrochen werden.

Der Sozialpolitische Aschermittwoch der Kirchen, zu dem Ruhrbistum und Evangelische Kirche im Rheinland seit 1998 einladen, soll ein Gegenpol zu dem oftmals lautstarken politischen Aschermittwoch der Parteien sein. Der rheinische Präses Nikolaus Schneider und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck erinnerten daran, dass jeder Christ und die Kirchen eine besondere soziale Verantwortung hätten.