Essen. Bislang mussten Hausbesitzer nachweisen, dass Schäden an ihrem Heim durch Braunkohle-Bergbau verursacht wurden. Diese Praxis will die rot-grüne Landesregierung ändern. Wie bei Steinkohle-Bergschäden schon üblich sollen die Unternehmen beweisen, dass der Bergbau nicht schuld ist.
Was für Hausbesitzer im Steinkohle-Revier längst selbstverständlich ist, soll nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung bald auch für Braunkohle-Geschädigte gelten: Wenn am Haus Schäden auftreten, die Folgewirkungen des Bergbaus sein könnten, soll künftig nicht mehr der Hausbesitzer beweisen müssen, dass es sich tatsächlich um einen Bergschaden handelt. Stattdessen soll das Bergbau-Unternehmen in der Pflicht stehen: Kann es nicht beweisen, dass der Schaden eine andere Ursache hat, müsste es zahlen.
Auf Fälle wie das Bergbau-bedingte Loch auf der A 45, das für eine wochenlange Vollsperrung des Autobahnabschnitts und Kosten von bis zu einer Million Euro sorgte, zielt die Landesregierung mit der Initiative nicht ab. Die Umkehrung der Beweislast soll nur für Schäden am Eigentum von Privatpersonen gelten. Auch der Bergschaden, der die Mülheimer U-Bahn-Station Mühlenfeld knapp drei Monate lahmlegte, wäre nicht abgedeckt.
Streit über Zahl der Braunkohle-Schadensfälle
Eine solche Gesetzesinitiative kann das Land nicht allein beschließen, denn das Gesetz, das die NRW-Koalition ändern will, ist das Bundesberggesetz. Dabei handelt es sich, wie der Name schon verrät, um ein Bundesgesetz. Einer Änderung muss der Bundestag zustimmen. Deshalb will Rot-Grün die Gesetzesänderung über den Bundesrat initiieren.
Vorher soll allerdings eine Große Anfrage im Düsseldorfer Landtag Klarheit darüber schaffen, wie hoch der Schaden im Braunkohlerevier tatsächlich ist. Laut RWE Power, dem größten Produzenten im Rheinischen Braunkohlerevier, hat es im vergangenen Jahr lediglich 15 Schadensfälle gegeben. Auf einer Fläche von 3000 Quadratkilometern, wie eine Unternehmenssprecherin betont. Der Bergschaden-Gutachter Peter Immekus, der auch als Sachverständiger zu dem Thema arbeitet, spricht allerdings von 300 Schadensfällen pro Jahr.
Wer sich im Streit mit RWE über einen potentiellen Bergschaden nicht einigen kann, der kann sich an die "Anrufungsstelle Bergschaden Braunkohle NRW" wenden. In den vergangenen zwei Jahren sind dort 46 Anträge von Bürgern eingegangen, die Bergschäden geltend machen wollen. Zehn Fälle sind bereits abgeschlossen: Sechs Mal bekam der Bürger Recht, drei Mal RWE. Ein Bürger zog seinen Antrag zurück. RWE musste insgesamt rund 550.000 Euro Entschädigung zahlen.
Braunkohle-Bergschäden sind schwierig nachzuweisen
Damit liegt die Zahl der Bergschäden im Braunkohle-Bergbau deutlich unter den Schadensfällen beim Steinkohle-Abbau: Rund 35.000 Anträge auf Schadensregulierung verzeichnet die RAG jedes Jahr allein aus dem Ruhrgebiet. Bloß gestaltet sich die Abwicklung dieser Schadensfälle deutlich leichter, da die meisten Schäden in unmittelbarer Nähe der Bergwerke auftreten. Zudem liegt die Beweispflicht im Steinkohlebergbau seit Jahrzehnten beim Bergwerksbetreiber.
Wer dagegen in einem Braunkohlerevier einen Bergschaden geltend machen will, hat es schwieriger. Denn die für den Braunkohle-Abbau nötige Absenkung des Grundwasserpegels macht sich teilweise noch 20 Kilometer vom Bergwerk entfernt bemerkbar. "Im Regelfall" so formuliert es Bergwerksbetreiber RWE Power auf seiner Website, sinke das Grundwasser dabei gleichmäßig ab, so dass keine Schäden entstehen. Weil die Abweichung von dieser Regel schwierig nachzuweisen ist, will Rot-Grün jetzt auch hier die Beweispflicht den Unternehmen aufbürden.
Bei RWE Power hält man wenig von der geplanten Gesetzesänderung. Das Bergbaurecht sei sachgerecht und habe sich bewährt, erklärt eine Unternehmenssprecherin. Beschwerden von Bürgern wegen Bergschäden würden "schnell und unbürokratisch" bearbeitet.
Braunkohle-Schäden wachsen von unten nach oben
Wenn Risse in der Fassade tatsächlich auf Bergschäden zurückzuführen seien, so lasse sich das laut RWE Power meist daran erkennen, dass die Schäden vom Fundament aus nach oben "wachsen". Treten die Schäden hingegen zuerst in den oberen Stockwerken auf, sei ein Bergschaden als Ursache unwahrscheinlich.
Schon Ende Januar hatten die Grünen im Bundestag eine Änderung des Bundesberggesetzes vorgeschlagen. Sie argumentieren, das Bergbaurecht sei juristisch antiquiert und umwelt- und sozialpolitisch nicht mehr verantwortbar. „Bergrecht bricht Menschenrecht, damit muss Schluss sein“, sagte der Energieexperte der Grünen, Oliver Krischer.