Essen. . Die Grünen im Bundestag wollen das Bergrecht in Deutschland von Grund auf ändern und von Abbauschäden betroffenen Bürgern im Braunkohletagebau mehr Mitspracherecht geben. Braunkohleförderer RWE ist dagegen.
Kern des Anliegens: Wie bei der Steinkohle soll auch bei der Braunkohle bei Bergschäden die Beweislast umgekehrt werden. „Künftig soll nicht mehr der Geschädigte nachweisen, dass es sich um einen Bergschaden handelt, sondern der Bergbautreibende“, heißt es in dem Antrag. Bei typischen Merkmalen sei künftig „im gesamten potenziellen Einwirkungsbereich bergbaulicher Tätigkeiten von Bergbauschäden auszugehen“.
Die Grünen fordern generell strengere Auflagen für den künftigen Abbau von Bodenschätzen wie Erdgas oder Erzen oder bei der Errichtung unterirdischer Kohlendioxid-Speicher. Für diese Vorhaben müssten umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen zur Pflicht werden. Außerdem soll auf alle geförderten Bodenschätze eine Abgabe von zehn Prozent des Materialwerts erhoben werden.
Juristisch antiquiert sei das Bundesberggesetz, umwelt- und sozialpolitisch nicht mehr verantwortbar, kritisieren die Grünen. Schließlich würden Teile des Gesetzes aus der Nazizeit stammen, in der Rohstoffversorgung zur Kriegsertüchtigung im Vordergrund gestanden hätten. „Bergrecht bricht Menschenrecht, damit muss Schluss sein“, sagte Oliver Krischer, Energieexperte der Grünen, dieser Zeitung.
In der Begründung verweist die Fraktion auf die vom Bergbau verursachten Schäden und Eingriffe. Seit 1945 seien im Rheinland und in den ostdeutschen Revieren mindestens 110 000 Menschen aus 300 Ortschaften für den Braunkohlebergbau zwangsumgesiedelt worden. Auch der Steinkohle-Bergbau im Revier hat laut Grünen zu schwersten Belastungen geführt: „An einigen Stellen im Ruhrgebiet ist das Gelände um bis zu 25 Meter gegenüber dem Ursprungsniveau abgesenkt worden“, heißt es in dem Papier.
„Wir wollen Waffengleichheit herstellen“
Der Vorstoß der Grünen dürfte insbesondere in NRW für heftige Debatten sorgen. „Wir wollen Waffengleichheit herstellen“, sagte Oliver Krischer. Sein Wahlkreis in Düren liegt unweit des Tagebaus Hambach. Er ist der größte Braunkohle-Tagebau der Welt. Die Grünen in NRW haben im rheinischen Revier der Braunkohle als klimaschädlichstem Energieträger den Kampf angesagt. Ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen des Landes stammt aus der Verfeuerung von Braunkohle. Allein die Kraftwerke von RWE sind pro Jahr für nahezu 100 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich. Auch im NRW-Koalitionsvertrag findet sich die „grüne Handschrift“: Für das Rheinische Kohlerevier soll gemeinsam mit dem RWE-Konzern ein Aktionsplan erarbeitet werden - mit dem Ziel, die CO2-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent zu verringern. Neue Tagebaue sollen nicht mehr genehmigt werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion reagiert bislang reserviert auf den Grünen-Antrag. „Stand heute werden wir uns enthalten“, sagte der energiepolitische Sprecher Rolf Hempelmann dieser Zeitung. Eine Anhörung zu dem Thema werde die SPD aber unterstützen. „Wenn es eine realistische und praktikable Vorgehensweise gibt, will ich mich dieser nicht grundsätzlich verschließen“, sagte Hempelmann mit Blick auf die Änderung beim Bergrecht.
In der Montanindustrie stößt der Grünen-Vorstoß auf Gegenwehr. „Aus unserer Sicht besteht kein Grund, das Bergrecht zu ändern“, sagte RWE-Sprecherin Stephanie Schunck. Es erfülle alle Anforderungen an geltendes Umweltrecht, sei in seiner heutigen Fassung sachgerecht und habe sich zudem bewährt. Bei Bergschäden in den Tagebauen sieht RWE keine Schlechterstellung der betroffenen Bürger. Die Bearbeitung der Fälle erfolge „schnell und unbürokratisch“. Laut RWE hat es im Rheinischen Revier im vergangenen Jahr 15 Schadensfälle gegeben, „auf einer Fläche von 3000 Quadratkilometern“.
Die Grünen wollen mit ihrem Vorstoß im Bundestag „eine Debatte“ über die Förderung von Bodenschätzen anstoßen. Die Montan-Lobby rüstet sich: „Wir stimmen aktuell unsere Position ab“, sagte Thorsten Diercks, Sprecher der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau. In zehn bis 14 Tagen wolle man sprachfähig sein.