Brüssel. Auf dem EU-Gipfel wurden nicht nur die Haushaltskontrollen für EU-Staaten verschärft. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen auch, dass das Griechenland-Paket diese Woche stehen soll. Mit ihrem Vorschlag, einen Sparkommissar für Griechenland einzurichten, scheiterte Kanzlerin Merkel jedoch und erntete Kritik.
Im Kampf gegen die Schuldenkrise wollen die Euro-Länder in Zukunft nicht nur auf eisernes Sparen setzen, sondern auch für mehr Wachstum sorgen. Das soll aber nicht mit staatlichen Konjunkturprogrammen, sondern mit vielen einzelnen Projekten und den vorhandenen EU-Fördergeldern erreicht werden. Zudem gaben auf dem EU-Gipfel in Brüssel 25 der 27 EU-Staaten grünes Licht für den neuen Fiskalpakt zu strikterer Haushaltskontrolle. Die Euro-Länder segneten auch den Vertrag zur vorzeitigen Einführung des permanenten Rettungsschirms ESM im Juli ab.
Heftige Kritik erntete Merkel auf dem Gipfel für den deutschen Vorschlag, der griechischen Regierung die Hoheit über die Budgetpolitik zu entziehen und einem Haushaltskommissar der Eurogruppe zu übertragen. In Athen reagierte man mit Empörung, aus in anderen Euro-Ländern, wie Luxemburg und Österreich, kam Kritik. In einem deutschen Papier war zudem vorgeschlagen worden, dass Athen Einnahmen zunächst zur Schuldentilgung verwenden solle, bevor andere Ausgaben getätigt werden.
Merkel fordert Überwachung in Griechenland
Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker sagte nach einem Treffen zu Griechenland in kleiner Runde im Anschluss an den EU-Gipfel, die Forderung sei vom Tisch. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy hatte es zuvor "unangemessen, undemokratisch und ineffizient" genannt, Griechenland die Hoheit über sein Budget zu entziehen.
Merkel wiederholte die Forderung nach einem Sparkommissar nicht, stellte jedoch klar, dass während des geplanten zweiten Hilfsprogramms "durchaus Überwachung in Griechenland" gebraucht werde. Schließlich habe das Land die vereinbarten Spar- und Reformmaßnahmen nicht eingehalten. Sie verteidigte das Prinzip, auf ein Land stärker Druck auszuüben, wenn es die Bedingungen für Hilfskredite nicht erfüllt. "Die Realität bringt eine solche Diskussion hervor", sagte Merkel. Die Geberländer wollten ihren Parlamenten zu Hause auch irgendwann Erfolge vorweisen. Die Euro-Länder forderten Griechenland auf, die Verhandlungen mit den Banken über einen Schuldenschnitt sowie über das zweite Hilfsprogramm schnell abzuschließen.
Erst ein Schuldenerlass für Griechenland, dann das zweite Kreditpaket
Die Euro-Finanzminister sollten die Vereinbarung zum Forderungsverzicht privater Gläubiger und das zweite Programm für Griechenland bis zum Ende der Woche unter Dach und Fach bringen, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Der seit Wochen hart mit Banken und Fonds verhandelte Schuldenerlass in Höhe von 100 Milliarden Euro ist die Voraussetzung für das zweite Kreditpaket für Griechenland der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds, das im Oktober auf 130 Milliarden Euro kalkuliert war. Ziel ist es, die Schulden bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken. Die inzwischen durch die schlechtere Lage Griechenlands entstandene größere Finanzierungslücke will Merkel nicht durch mehr öffentliche Kredite stopfen. Dies erhöhe die Schuldenlast Griechenlands nur. Stattdessen müssten die Privatgläubiger mehr tun und das Land müsse selbst stärkere Anstrengungen für Wachstum unternehmen.
Der griechische Ministerpräsident Lukas Papademos hatte auf dem EU-Gipfel über das bisherige Verhandlungsergebnis mit den Gläubigern berichtet. Es läuft auf einen Schuldenerlass von rund 50 Prozent des Nennwerts hinaus. Papademos und sein Finanzminister Evangelos Venizelos berieten nach dem Gipfel noch weiter mit EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen, Van Rompuy, Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn
Wachstum trotz Sparmaßnahmen
Die EU-Staaten wollen im Kampf gegen die Schuldenkrise nicht länger nur auf eisernes Sparen, sondern auch auf mehr Wachstum setzen. Neben dem neuen Fiskalpakt zu strikter Haushaltskontrolle beschlossen sie Eckpunkte zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Dabei setzen sie an drei Stellen an: dem Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie dem Abbau von Hürden im europäischen Binnenmarkt. "Wir sind auf einem langen Weg zurück zu mehr Vertrauen - wir sind ein kleines, aber feines Stück hier weitergekommen", sagte Merkel. Die krisengeschüttelten Euro-Länder sollen die noch verfügbaren Milliarden aus EU-Strukturfonds bis Ende kommenden Jahres gezielter für wachstumsfördernde Projekte einsetzen.
Mit dem von Deutschland angestoßenen neuen Fiskalpakt verschärfen die EU-Staaten erneut die Haushaltskontrolle. Neben den 17 Euro-Ländern wollen auch acht Nicht-Euro-Staaten in der EU den Pakt unterschreiben - nur Großbritannien und Tschechien machen nicht mit. Der Pakt zwingt die Teilnehmerstaaten, eine Schuldenbremse verbindlich in nationalem Recht zu verankern. Andernfalls können sie von anderen Mitgliedstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden. Merkel sagte, eine Prozedur dazu werde noch bis zur endgültigen Besiegelung des Pakts Anfang März ausgearbeitet. Damit soll sichergestellt werden, dass eine Klageempfehlung der EU-Kommission auch von den EU-Staaten in die Tat umgesetzt wird. Auch sollen Strafverfahren gegen Defizitsünder künftiger schneller begonnen werden können. (rtr, dapd)