Berlin. . Bei der Überwachung der Linken werden auch geheimdienstliche Mittel eingesetzt. Das hat der niedersächsische Verfassungsschutz eingeräumt. Doch laut SPD-Informationen sollen auch andere Bundesländer verdeckte Ermittler zur Überwachung der Politiker ausgesendet. Zugleich will das Innenministerium die Zahl der Beobachteten überprüfen.

In mehreren Bundesländern werden Abgeordnete der Linkspartei offenbar nicht nur passiv beobachtet, sondern auch geheimdienstlich überwacht. "Nicht nur in Niedersachsen werden nachrichtendienstliche Mittel zur Überwachung von Abgeordneten eingesetzt, sondern auch in Bayern und anderen Ländern", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung".

Hartmann berief sich auf die Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes im Innenausschuss, bei der auf die Praxis einzelner Länder sogar anhand einer Karte verwiesen worden sei. Der Fall Bayern sei deshalb pikant, weil sich die bayerische FDP-Landesvorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger über die Beobachtung der Linkspartei "ja gerade ziemlich echauffiert", sagte Hartmann. Neben Niedersachsen und Bayern greift dem Zeitungsbericht zufolge auch Baden-Württemberg auf V-Leute oder verdeckte Ermittler zur Überwachung der Linke zurück.

"Wir müssen die Demokratie vor den Geheimdiensten schützen"

Parteichef Klaus Ernst hat das Innenministerium zu umfassender Aufklärung aufgefordert. Wenn dies nicht schnell genug und umfassend erfolge, behalte sich die Partei „weitere Schritte der parlamentarischen Aufklärung“ vor, sagte Ernst dem „Hamburger Abendblatt“. Dazu zähle auch die Option, einen Geheimdienst-Untersuchungsausschuss einzurichten. „Wir müssen die Demokratie vor den Geheimdiensten schützen“, fügte er hinzu.

Derweil geht das Bundesinnenministerium vermeintlich einen Schritt auf die Linkspartei zu: Die Zahl der vom Verfassungsschutz beobachteten Mitglieder soll noch einmal überprüft werden. Das kündigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Mittwoch in Berlin an. Als Kriterien einer Beobachtung nannte der CSU-Politiker eine übergeordnete Funktion oder die Mitgliedschaft in einer extremistischen Teilorganisation. Ob die Zahl der Beobachteten nach der Überprüfung höher oder niedriger sein werde, könne er nicht sagen, fügte Friedrich hinzu.

Der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), kritisierte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wegen ihrer Empörung über die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz. Es sei „schwer erträglich“, wenn eine Ministerin das „gesetzmäßige Vorgehen“ im Geschäftsbereich ihres Kollegen Friedrich so kritisiere, sagte Krings der Zeitung.

In Niedersachsen werden Linke auch geheimdienstlich überwacht

Der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel, hatte zuvor im Radio Bremen-Interview eingeräumt, dass Abgeordnete der Partei Die Linke in Niedersachsen auch mit geheimdienstlichen Mitteln überwacht werden. Damit widersprach er Bundesinnenminister Friedrich. Dieser hatte zuletzt erklärt, die Abgeordneten würden nur durch die Auswertung von Reden und öffentlich zugänglichen Schriften beobachtet - und nicht mit geheimdienstlichen Mitteln. Laut Wargel hält der niedersächsische Verfassungsschutz die Linke in bestimmten Teilen für verfassungsfeindlich. Insofern sei es erforderlich, die Partei zu überwachen.

Der Vorsitzende der Linksfraktion im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, bezweifelt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Partei Die Linke keine V-Leute oder verdeckte Ermittler einsetzt. Der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ sagte Ramelow, ihm habe sich 2006 ein ihm seit längerem bekannter Mann mit den Worten vorgestellt, er sei als V-Mann tätig. Dieser Mann habe sich ihm offenbar aus Furcht offenbart, entdeckt zu werden.

"Argumente Friedrichs unter der geistigen Armutsgrenze"

Die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, wirft Friedrich vor, Politiker der Linkspartei aus taktischen Gründen vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Linke-Wähler sollten mit der Beobachtung verunsichert werden, hielt sie dem CSU-Politiker am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin" vor. Friedrich sei dabei, "mit dem Holzhammer unsere Verfassung zu zertrümmern", sagte Lötzsch.

Seine Argumente seien unter der geistigen Armutsgrenze. Friedrich sagte, es gebe erhebliche Hinweise auf verfassungsfeindliche Tendenzen innerhalb der Linken.

„Verfassungsschutz hat genügend zu verbergen“

Ramelow erklärte zudem: „Die vom Verfassungsschutz geschwärzten Akten deuten daraufhin, dass dieses Amt genügend zu verbergen hat.“ Mehrere führende Politiker der Linkspartei wie der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi und Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau hatten vom Bundesamt für Verfassungsschutz geschwärzte Akten erhalten.

Bundesinnenminister Friedrich hat derweil die Beobachtung von Abgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz erneut verteidigt. Er sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, die „künstlich erzeugte Aufregung“ sei nicht verständlich. Rechtlich ist die Beobachtung von Abgeordneten nach seinen Worten durch Urteile des Bundesverwaltungsgerichts und des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts gedeckt.

Friedrich betonte, es gehe nicht um Personen, sondern um „Führungskader“ und Parteistrukturen. Die Linke werde schon seit 1995 beobachtet, weil es bei Teilen Bestrebungen gebe, die der freiheitlichen Grundordnung gefährlich werden könnte, sagte der Minister. Das sei ein strukturelles Problem, „ohne dass ich sage, dass es sich in den letzten Jahren verschärft hätte“, so Friedrich. (afp/dapd)