Berlin. Die Kritik am Verfassungsschutz kommt aus allen Parteien. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger empfiehlt dem Verfassungsschutz, seine Schwerpunkte zu überdenken. Innenminister Friedrich dagegen verteidigt die Beobachtung der Linken durch den Verfassungsschutz.
Der Bundesverfassungsschutz muss sich nach Berichten über die Beobachtung von Abgeordneten der Linkspartei Kritik von allen Seiten gefallen lassen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte der "Süddeutschen Zeitung", die Arbeit von frei gewählten Bundestagsabgeordneten dürfe nicht beeinträchtigt werden. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) nannte die Beobachtung der Linken ein Unding. Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), forderte eine Begründung.
Einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zufolge beobachtet der Verfassungsschutz 27 der 76 Linke-Bundestagsabgeordneten, darunter Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Auch elf Mandatsträger in Landtagen sollen ausgeforscht werden.
Ministerin hält Schwerpunkte für falsch gesetzt
Leutheusser-Schnarrenberger sagte: "Wenn es tatsächlich wahr ist, dass langjährige Bundestagsmitglieder bis hin zur Bundestagsvizepräsidentin überwacht werden, wäre das unerträglich." Nach der Pannenserie um die Ermittlungen gegen die rechtsextreme Zwickauer Terrorzelle solle der Verfassungsschutz seine Arbeit und seine Schwerpunkte überdenken.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kommentierte die mögliche Überwachung durch den Verfassungsschutz mit der Frage: "Haben die nichts anderes zu tun?" Bundestagsvizepräsident Thierse sagte der "Berliner Zeitung", er könne nicht erkennen, dass Politiker wie Gysi oder Pau verfassungsfeindlich agierten. Der Verfassungsschutz müsse vor der Beobachtung von Abgeordneten die Zustimmung des Bundestages einholen.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes absurd. Das Parlament benötige einen Schutzmechanismus, damit die Exekutive nicht die Legislative ausforsche, sagte er dem Blatt.
Innenminister verteidigt Beobachtung der Linken
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat in der Debatte Parallelen zwischen der Linkspartei und der rechtsextremen NPD gezogen. Im ZDF-"Morgenmagazin" verteidigte Friedrich am Dienstag erneut die Beobachtung auch von Mitgliedern der Fraktionsspitze der Linken. Wenn dies nicht mehr akzeptiert würde, dann dürften auch Parlamentarier der NPD nicht mehr beobachtet werden, warnte der Minister.
"Sie müssen bedenken, wir haben auch Spitzenfunktionäre der NPD in den Parlamenten. Wenn man die allgemeine Forderung aufstellt, es darf der Verfassungsschutz überhaupt nicht mehr beobachten, was die Abgeordneten machen, also Zeitungen auswerten, Rundfunkansprachen auswerten, also dann müsste ich ja sofort auch die Beobachtung dieser NPD-Spitzenfunktionäre einstellen und das kann ja nicht sein", sagte Friedrich. Unterschiede in dem Sinn, dass bestimmte Abgeordnete beobachtet werden dürften und andere nicht, dürften hier nicht gemacht werden.
Bosbach empfiehlt Diskussion im Innenausschuss
Bosbach sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe) zur Linkspartei: "Wer sich in der Partei eine Kommunistische Plattform hält, darf sich nicht wundern, dass es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt." Allerdings habe ihn die hohe Zahl der überwachten Abgeordneten überrascht.
Der Verfassungsschutz müsse schon gut begründen, warum er auch Material über die sogenannten Realos bei der Linkspartei sammle. "Er muss Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen belegen können", sagte Bosbach. "Allein die Mitgliedschaft in der Partei reicht dafür nicht aus." Der beste Ort für eine solche Erläuterung sei der von ihm geleitete Bundestags-Innenausschuss. Dass es besonders heikel sei, Bundestagsabgeordnete zu beobachten, verstehe sich von selbst.
Die Bundesregierung sieht keinen Anlass, die Beobachtung von Teilen der Linkspartei zu stoppen. Die Beobachtung der Linken sei nach wie vor durch bestimmte Teile des Parteiprogramms gerechtfertigt, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Montag in Berlin. (dapd, afp, rtr)