Berlin/Düsseldorf.. Die Linkspartei im Bund und in Nordrhein-Westfalen protestiert gegen ihre ständige Beobachtung. Verfassungsschutz-Chef Fromm findet nichts dabei: Jeder Abgeordnete, dessen Treiben seine Leute verfolgen und dokumentieren, werde darüber informiert. Auch die Kanzlerin hat keine Einwände.

Trotz heftigen Protestes der Linken hat der Verfassungsschutz die ­Beobachtung der Linkspartei verteidigt. Sie sei zulässig und seit Jahren allgemein bekannte Praxis. „Das ist nichts ­Neues“, sagte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm.

Es sei bekannt, dass über ­Abgeordnete Informationen gesammelt würden. Es gebe „kein Abgeordnetenprivileg“. Das Ergebnis der Beobachtung stehe jedes Jahr im Verfassungsschutzbericht.

Die Abgeordneten, die in einer Datei ­erfasst werden, würden auch Auskunft darüber erhalten, „die wissen das“. Fromm ver­sicherte, es werde nicht mit ­geheimdienstlichen Methoden gearbeitet. Das heißt: Sie werden nicht abgehört oder bespitzelt. Man nehme vielmehr nur zur Kenntnis, wie sie sich politisch verhielten.

Verdächtiges Parteiprogramm

Auch die Bundesregierung sieht keinen Anlass, die Beobachtung von Teilen der Linkspartei zu stoppen. „Nur weil es öffentlichen Protest gibt, kann das nichts an der Notwendigkeit einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz ­ändern“, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Die Beobachtung der Linken sei durch Teile des Parteiprogramms gerechtfertigt.

Die Linkspartei dagegen ­fordert eine unverzügliche und vollständige Einstellung der Beobachtung. Dies geht aus einem Brief von Fraktionschef Gregor Gysi an Bundespräsident Christian Wulff, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Bundeskanz­lerin Angela Merkel hervor.

„Schlicht und einfach eine schwere Meise“

Merkel könne den Stopp der Beobachtungen anordnen, Lammert müsse die Abgeordneten schützen, sagte Gysi in Berlin. Der Bundestagspräsident erklärte, die Observierung entspreche der Rechts­lage. „Gleichwohl müssen sich derartige Beobachtungen über ihre Verhältnismäßigkeit in Ausmaß und Dauer befragen lassen“, sagte Lammert.

Gysi unterstellte dem ­Verfassungsschutz, er habe „schlicht und einfach eine schwere Meise“. Er verletze das Grundgesetz und müsse aufgelöst oder grundlegend neu strukturiert werden. Parteichefin Gesine Lötzsch kündigte an, dass die Linke wegen der Beobachtung der Partei eine aktuelle Stunde im Bundestag beantragen wird.

Erstaunlich viele Abgeordnete im Visier

Laut SPD-Geschäftsführer Thomas Oppermann wird sich auch das Parlamentarische Kontrollgremium damit befassen. Das PKG kontrolliert für den Bundestag die Geheimdienste. Die hohe Zahl der ­beobachteten Abgeordneten sei „erstaunlich und nicht einfach nachzuvollziehen“, sagte Oppermann. Ähnlich äußerte sich dessen FDP-Kollege Jörg van Essen. Grünen-Chef Cem Özdemir lehnte eine Beobachtung gänzlich ab.

Auch in NRW protestierte die Linke gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Das Innenministerium müsse offenlegen, welche Mitglieder der Landtagsfraktion von der Behörde „bespitzelt“ würden, forderte Landeschefin Katharina Schwabedissen. Bundesweit würden elf Landtagsabgeordnete beobachtet. Dies sei „verfassungsrechtlich und politisch skandalös“. Im Ministerium hieß es auf WAZ-Anfrage, die Beobachtung richte sich nicht gegen einzelne Abgeordnete der Linken.

Kritik auch aus NRW

Der Landtag wird darüber am morgigen Mittwoch auf Antrag der Linken debattieren. Schwabedissen kritisierte die „unsägliche Gleichstellung“ ihrer Partei mit Rechtsextremisten, etwa der NPD. Seit 1990 habe es in NRW 24 Tote als Folge rechter Gewalttaten gegeben, aber kein Opfer durch linke Gewalt.

Die Linken-Abgeordnete Anna Conrads forderte von ­Innenminister Ralf Jäger (SPD) Angaben über die Höhe der Honorare, mit denen der Verfassungsschutz V-Leute in der rechten Szene bezahle. Es würden „rechte Strukturen“ mit Steuergeld finanziert. Andererseits fehle es an Kontrolle. Die Linke sei nicht einmal im Vertrauensgremium des Landtags vertreten.