Berlin. . Die Linkspartei läuft Sturm gegen die Überwachung ihrer Abgeordneten durch den Verfassungsschutz. Fraktionschef Grogor Gysi will eine Brief an Merkel, Wulff und Lammert schreiben. Sie sollten alles tun, um die Überwachung zu stoppen, so Gysi.
Die Linke will auf allen Ebenen gegen die Beobachtung ihrer Bundestagsabgeordneten durch den Verfassungsschutz vorgehen. Neben einer bereits anhängigen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht werde die Staatsspitze zum Einschreiten aufgefordert, sagte Fraktionschef Gregor Gysi. Auch im Bundestag solle die umstrittene Praxis zum Thema werden. Das Innenministerium verteidigte am Montag die Überwachung der Parlamentarier.
Hintergrund ist ein „Spiegel“-Bericht, wonach 27 Abgeordnete der Linken und damit mehr als ein Drittel der Bundestagsfraktion vom Geheimdienst beobachtet werden, darunter Gysi. Er kündigte an, er werde Kanzlerin Angela Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU) und Bundespräsident Christian Wulff per Brief auffordern, „alles ihnen Mögliche zu tun“, um die Überwachung zu beenden. Außerdem werde die Linke eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragen. Überlegt werde zudem, mit einem Antrag im Plenum über die Beobachtung abstimmen zu lassen.
"Die lügen", sagt Gysi
Die Überwachung der Abgeordneten sei „ein Skandal“, sagte der Fraktionschef. Der Verfassungsschutz habe „schlicht und einfach eine schwere Meise“ und sei offenbar in der Zeit des Kalten Krieges stecken geblieben. Auch entspreche die Behauptung des Bundesamts für Verfassungsschutz, es würden lediglich Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen genutzt, nicht der Wahrheit: „Die lügen“, sagte Gysi. „Die arbeiten auch mit geheimdienstlichen Methoden.“
Der Linke-Vorsitzende Klaus Ernst stellte den Verfassungsschutz ganz infrage. Dieser sei „überflüssig und gefährlich für die Demokratie“, sagte er der „Leipziger Volkszeitung“.
Thierse spricht von „Unding“
Unterstützung bekamen die Linken von SPD, Grünen und FDP. Die Sozialdemokraten beantragten, den Vorgang auf der nächsten Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu diskutieren, wie der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thomas Oppermann, in Berlin sagte. Es gebe zwar Anlass für den Verfassungsschutz, die Linkspartei zu überwachen. Die Zahl der beobachteten Abgeordneten sei aber „erstaunlich und nicht einfach nachzuvollziehen“.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte dem „Neuen Deutschland“ (Dienstagausgabe): „Die Überwachung von Parlamentariern halte ich für ein Unding.“ Das Präsidium des Bundestags werde über den Vorgang „gewiss sprechen“.
Für den Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir ist die Auseinandersetzung mit der Linken eine politische Aufgabe der Parteien. „Den Verfassungsschutz brauchen wir dazu nicht“, sagte er.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Jörg van Essen, erklärte, es sei „notwendig“, dass der Verfassungsschutz Teile der Linkspartei beobachte. „Ich bin aber sehr zurückhaltend, wenn in einem solchen Umfang Parlamentarier unter Beobachtung stehen“, sagte er „Spiegel Online“.
„Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen“
Die Bundesregierung hält die Überwachung der Abgeordneten aber für rechtens. Der Geheimdienst komme seinem gesetzlichen Auftrag nach, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Auch der Sprecher des Innenministeriums, Philipp Spauschus, erklärte, der Verfassungsschutz handle „im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags aus dem Bundesverfassungsschutzgesetz“. Im Parteiprogramm der Linken gebe es „Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen“.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der Zeitung „Die Welt“: „Wer den Systemwechsel in Deutschland fordert, über Wege zum Kommunismus schwadroniert und sich mit Diktatoren solidarisiert, darf sich nicht wundern, wenn er vom Verfassungsschutz beobachtet wird.“ Ähnlich äußerte sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: Die Linke verfolge verfassungsfeindliche Ziele und müsse daher zwingend weiter beobachtet werden, sagte er der Zeitung. (dapd)