Kiel/Berlin. . Bei der Klausurtagung des CDU-Vorstands wurde die Affäre um den Bundespräsidenten allenfalls mit spitzen Fingern angefasst - man geht auf Distanz zum glücklosen Niedersachsen - auch sein Nachfolger.
„Man müsste“, sagt einer, „nun den Adolf Sauerland fragen.“ In der CDU haben sie nämlich nicht vergessen, wie Bundespräsident Christian Wulff dem Duisburger OB nach der Loveparade-Katastrophe den Rücktritt nahelegte. Mit dem moralischen Zeigefinger hat er oft und flink auf andere gezeigt. Auch das erklärt, warum der CDU-Vorstand auf einer Klausur in Kiel den Beistand mit Wulff auf ein Minimum reduziert. Vor Journalisten erklärt CDU-Chefin Angela Merkel, „wenn sich neue Fragen stellen, müssen neue Fragen beantwortet werden.“ Intern bemerkt Merkel dann noch, sie könne ja nicht das Ende der Debatte verordnen.
Alle hatten auf dem Weg nach Kiel das ZDF-Politbarometer analysiert. Die CDU und Merkel legten zu. Die Bellevue-Affäre wird ihnen nicht angelastet. Das beobachtet Jost de Jager auch bei den Wählern. „Das wird nicht als ein parteipolitisches Thema gesehen“, sagt der Kandidat der schleswig-holsteinischen CDU. „Sie verbinden es nicht mit uns.“
Im Landtag in Hannover geht die politische Aufklärung jetzt erst richtig los. In Stuttgart (wegen der BW-Bank) wird die Justiz auf den Plan gerufen. Und auch ein Gang zum niedersächsischen Staatsgerichtshof ist möglich. In Bellevue bleibt der Schlossherr in der Bredouille. Das nervt auch Wulffs Nachfolger in Hannover. „Sollte es falsche Auskünfte der Landesregierung gegenüber dem Parlament gegeben haben, werden wir sie richtig stellen“, erklärt Ministerpräsident David McAllister (CDU) der „FAZ am Sonntag“. Spöttisch ergänzt er, „mich lädt niemand nach Ibiza ein.“ Keine harmlosen Sätze: Wulff wird nicht geschont; und er, McAllister, möchte auch nicht mit ihm verwechselt werden.
Es ist ihr Job
Zwei Bundestagsabgeordnete der CDU, Karl-Georg Wellmann und Georg von der Marwitz, legten Wulff den Rücktritt nahe. Am Wochenende äußerten ihre Kollegen Veronika Bellmann und Jens Spahn zumindest Kritik an seinem Krisenmanagement. In erster Linie nahmen bisher Peter Altmaier und Hermann Gröhe den Präsidenten in Schutz, also der Fraktionsmanager und der Generalsekretär. Es ist ihr Job.
Auf der Klausur in Kiel meldet sich nach Merkel nur Dagmar Schipanski zu Wort. Die Mehrheit der CDU-Führung spricht den Fall Wulff nicht an. Ihr Schweigen ist gut überlegt.
Wenig Bonuspunkte
Erstens, jede Wortmeldung verlängert eine Debatte, die allen nicht ganz geheuer ist. Zweitens, stützt man ihn, wird seine Schwäche eher betont. Drittens, es darf nicht aussehen, als sei Wulff der Präsident einer Partei. Wie sollte der Mann im Krisenfall – unbefangen – etwa über Neuwahlen entscheiden? Viertens, der Respekt vor dem Amt wiegt schwer, und gerade zwischen Verfassungsorganen empfiehlt sich Zurückhaltung. Merkels Kabinett hält still. Fünftens, die CDU kann nicht einschätzen, was noch alles nachkommen wird. Sechstens, es ist vielen auch keine Herzensangelegenheit, sich schützend vor Wulff zu stellen. Sie können ihn nicht verstehen; sorgen sich, dass die Bürger alle in einen Topf werfen. Es gibt Politiker, die darauf achten, keinen Vorteil aus ihrem Amt zu schlagen. Dazu kommt die Erinnerung daran, wie Wulff mit Parteifreunden umging. Nicht nur im Fall Sauerland. Er setzte sich vom Hessen Roland Koch ab, als er Strafen für kriminelle Kinder forderte. Wulff drohte, als Schleswig-Holstein sich ein Ja zum Wachstumspakt politisch abkaufen lassen wollte. Bei der letzten Kabinettsumbildung in Hannover fühlte sich die CDU-Fraktion übergangen. In der CDU hat er wenig Bonuspunkte gesammelt. Christian Wulff kann nicht viel Solidarität einlösen.