Essen. . Für seinen TV-Auftritt hat Bundespräsident Wulff viel Kritik geerntet. Doch wie hat er sich wirklich geschlagen? Ulrich Sollmann, Experte für nonverbale Kommunikation, erklärt Wulffs Körpersprache - und warum sein Auftritt nicht überzeugend war.
Wie hat der Bundespräsident sich aus Ihrer Sicht präsentiert?
Ulrich Sollmann: Wulff hat sich am Mittwoch gezeigt, wie man ihn bisher nicht kannte. Er wirkte extrem angespannt, genervt und sogar aggressiv. Während des Gesprächs hat er drei verschiedene Kommunikationsphasen durchlaufen. Im ersten Drittel des Gesprächs hat er immer wieder den Augenkontakt zu seinen Gesprächspartnern verloren - ein klassisches Zeichen von Unsicherheit. Normalerweise beherrscht Wulff es, seinem Gegenüber stets in die Augen zu schauen und den Eindruck von "Schwiegermutters Lieblings" zu erwecken. Durch den verlorenen Augenkontakt kommt Wulff auch aus dem so wichtigen Beziehungskontakt heraus. Seine Entschuldigung wirkt deshalb nicht glaubwürdig und ist nicht tragfähig. In der zweiten Phase des Interviews gerät Wulff in eine Opferrolle und macht sich klein. Es geht zwar um seine Rolle als Bundespräsident, doch er fühlt sich als Person angegriffen, stellt sich vor seine Familie und bezeichnet seine Fehltritte als "menschlich". In diesem Zusammenhang ist sein Verhalten unangemessen, denn es geht um sein politisches Amt, nicht um ihn als Privatperson. Er wirkt unterwürfig, so, als wolle er sagen "ich bin doch eigentlich lieb und nett." Das ist zwar rhetorisch schlau, doch damit nimmt er sein Gegenüber nicht ernst. Im letzten Drittel der Sendung wirkt er zwar souveräner, doch er verteidigt sich selbst zu sehr, spricht sogar davon, dass auch ein Bundespräsident Menschenrechte hat. Als Bundespräsident hat er aber die wichtige Aufgabe, Werte zu verkörpern und der Notar des Staats zu sein. Beide Aufgaben sind mit Integrität und Verlässlichkeit verbunden. Wer integer ist, braucht sich selbst nicht zu verteidigen.
Keine Ausstrahlung wie Guttenberg
Wie ist Wulffs Körpersprache allgemein zu beurteilen?
Sollmann: Er hat sicher nicht die Ausstrahlung wie Guttenberg. Zwar hat er sich eine Körpersprache angeeignet, doch in Stresssituationen greift man automatisch auf alte Verhaltensmuster zurück.
Wie wichtig ist die Körpersprache im Vergleich zur Sprache und zu den Inhalten, die in einem Gespräch transportiert werden?
Sollmann: Pauschal kann man das zwar nicht sagen, doch die Körpersprache ist nicht zu unterschätzen. Es gilt die Faustregel: Zehn Prozent Wort, 25 Prozent Stimme, 65 Prozent nonverbale Kommunikation. Nehmen Sie nur den ersten Eindruck als Beispiel: Es dauert 0,25 Sekunden, bis wir uns ein erstes Urteil über einen Menschen bilden. Und der erste Eindruck zielt auf die emotionale Ebene.
Können auch Laien Unsicherheit an der Körpersprache ablesen?
Sollmann: Dafür gibt es ein interessantes Beispiel. Joschka Fischer hat in seiner Zeit als Außenminister stets die Augen sehr weit aufgerissen. Bevor Rot-Grün an die Macht kam und nachdem SPD und Grüne von Schwarz-Gelb abgelöst wurden, hatte er diese Gestik nicht. In meinem Bekanntenkreis haben wir über dieses Thema gesprochen. Einer Frau aus Wattenscheid ist Fischers Verhalten sofort aufgefallen. Zwar hat sie nicht die gleichen Schlüsse gezogen wie ein Experte - aber die Veränderung in der Körpersprache hat sie auf jeden Fall bemerkt. Unsicherheit kann man schnell erkennen.