Moskau. Für neue Parteien soll es einfacher werden, sich registrieren zu lassen und als Präsidentschaftskandidat sollen künftig statt zwei Millionen Unterschriften nur 300.000 benötigt werden. Russlands Präsident kündigt Reformen an - und kritisiert die für Samstag geplante Großdemonstration gegen mutmaßlichen Wahlbetrug.
Angesichts der Protestwelle in Russland hat Präsident Dmitri Medwedew eine Reihe von Reformen zur Liberalisierung des politischen Systems in Aussicht gestellt. Zwei Tage vor einer weiteren geplanten Großkundgebung gegen mutmaßlichen Wahlbetrug sprach er aber gleichzeitig eine deutliche Warnung an die Demonstranten aus, die Stabilität im Land nicht zu gefährden. "Wir werden nicht zulassen, dass Provokateure und Extremisten die Gesellschaft in ihre Abenteuer hineinziehen", sagte Medwedew bei seiner Rede zur Lage der Nation am Donnerstag.
Medwedew will Versprechen gegenüber Wählern einhalten
Russland brauche Demokratie, nicht Chaos, und wehre sich gegen jeglichen Druck, der von anderen Staaten auf Moskau ausgeübt werde, erklärte Medwedew. Die von Manipulationsvorwürfen begleitete Parlamentswahl vom 4. Dezember war international kritisiert worden und hatte in Russland zur größten Demonstration seit dem Ende der Sowjetunion geführt. Für den Samstag ist eine weitere Großkundgebung geplant.
Angesichts des Gegenwindes für seine Regierungspartei Einiges Russland im Zusammenhang mit der Wahl bekräftigte Medwedew ein Versprechen von Ministerpräsident Wladimir Putin zur Erleichterung der Registrierung von politischen Parteien und nannte dazu erstmals konkrete Details. Demnach soll eine Gruppe von 500 Personen, die mehr als die Hälfte der russischen Provinzen repräsentiert, in Zukunft in der Lage sein, eine Partei zu gründen. Dies würde die bisherige Praxis deutlich vereinfachen, die es Behörden leicht machte, radikalen Oppositionsgruppen eine Registrierung zu verwehren.
Opposition kann frühestens in fünf Jahren von Reform profitieren
Außerdem schlug Medwedew eine Verringerung der Zahl der von Präsidentschaftskandidaten geforderten Unterschriften von zwei Millionen auf 300.000 vor. Die angekündigten Reformen würden der Opposition aber frühestens bei der nächsten Parlamentswahl in fünf Jahren zugutekommen.
Auch Putins Ankündigung, zur vor Jahren abgeschafften Direktwahl von Gouverneuren zurückzukehren, wiederholte Medwedew am Donnerstag. Putin hatte vergangene Woche allerdings betont, dass die Kandidaten für die Posten vom Präsidenten ausgesucht würden, was der Wahl einen rein symbolischen Charakter geben würde.
Demonstranten wollen Neuwahlen fordern
"Medwedews Rede ist wie eine Injektion in ein künstliches Gliedmaß", schrieb der russische Kolumnist Oleg Kaschin auf Twitter. Der Oppositionsführer Boris Nemzow begrüßte Medwedews Vorschläge, bezeichnete sie aber als unzureichend. "Wir hätten keine Vorschläge gehört, wenn es die Proteste nicht gegeben hätte", sagte Nemzow dem Radiosender Echo Moskau. Auf der Kundgebung am Samstag werde man aber erneut eine Wiederholung der Parlamentswahl fordern. Bisher haben sich dafür auf Facebook 39.000 Menschen angemeldet.
Einiges Russland hatte bei der Parlamentswahl am 4. Dezember ein Viertel seiner Sitze in der Duma verloren, aber seine absolute Mehrheit behalten. Das Ergebnis kam nach Ansicht internationaler Wahlbeobachter und Oppositioneller nur durch Wahlbetrug zustande. (dapd)