Berlin. . Der Bundespräsident mit dem 500 000-Euro-Privatkredit von einer Unternehmergattin: Nach den zunehmend kritischen Meldungen des Wochenendes versucht Christian Wulff Normalität zu zelebrieren. Sein Signal: Vorzeitig abtreten will er nicht.
Der Präsident tut, als sei nichts gewesen. Am Samstagabend hat Christian Wulff in der Wittenberger Schlosskirche ein verfrühtes Fernseh-Weihnachtsfest gefeiert, er hat vor den Kameras die Weihnachtsgeschichte vorgelesen und mit Frau Bettina fröhlich gesungen. Als die Fernsehaufzeichnung des ZDF für den Heiligabend im Kasten ist, stellt sich Wulff doch noch Fragen von Journalisten.
„Die Bürger freuen sich darüber, wenn man sein Amt ausübt, ernst nimmt“, sagt Wulff. Zu den Vorwürfen um den 500 000-Euro-Kredit für sein privates Eigenheim in Hannover will sich der Präsident nicht direkt äußern, dazu sei „alles gesagt.“
Aber Wulff macht deutlich, dass er an Rücktritt nicht denkt: „Man muss selber wissen, was man macht und das muss man verantworten. Und das kann ich. Das ist das Entscheidende.“
Der Mann hat Nerven. Die Kritik am Umgang mit der Kreditaffäre wird immer lauter, doch Wulff vermittelt öffentlich den Eindruck, er sei ganz mit sich im Reinen.
Ein Getriebener
In Frankfurt gibt er am Samstag auf dem Weihnachtsmarkt freundlich lächelnd Autogramme, in Berlin besucht er am Sonntag einen Festgottesdienst. Aber der Versuch, auch dort Normalität vorzuspielen, misslingt trotzdem: Vor Beginn des Gottesdienstes wird Wulff von Fotografen und Kameraleuten massiv bestürmt und bedrängt.
Wulff ist zum Getriebenen geworden. Wie lange hält er das aus? SPD, Grüne und Linke erhöhen den Druck, sie verlangen weitere Aufklärung - und bringen auch schon einen Rücktritt des Präsidenten ins Spiel. Wulff müsse die Dinge auf den Tisch packen, sagt etwa SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. „Wenn er das nicht kann, dann sollte er darüber nachdenken, ob er weiter Vorbild in Deutschland sein kann.“
Ein „Scheingeschäft“?
Wulff erfährt jetzt, dass sein präsidiales Wort nicht gewirkt hat. Er hatte sich ja bereits erklärt und eingeräumt, dass er den 2008 geschlossenen privaten Kreditvertrag mit der Unternehmergattin Edith Geerkens im niedersächsischen Landtag hätte erwähnen müssen. Aber nun steht seine Erklärung gegen den wuchernden Verdacht, der verschwiegene Vertrag mit Edith Geerkens sei sowieso nur ein zur Vertuschung eingegangenes „Scheingeschäft“ gewesen, wie es SPD-Politiker jetzt formulieren - Geld, Idee und Handlungsanweisungen stammten tatsächlich von ihrem Gatten Egon Geerkens.
Der „Spiegel“ hat zum Teil widersprüchliche Zitate von Egon Geerkens veröffentlicht, die einen solchen Schluss ermöglichen, auch wenn der 67-Jährige dem Magazin versicherte, er habe mit dem Geld für Wulff nichts zu tun: „Das stammt von meiner Frau.“ Beweisen lässt sich das Gegenteil wohl schwer, doch die Vorwürfe, die auf die Glaubwürdigkeit und Integrität des Präsidenten zielen, stehen im Raum. Im Landtag in Hannover wird sich morgen der Ältestenrat mit dem Thema befassen, die Opposition wittert bereits ein „System der finanziellen Unterstützung.“
Vorzeitiger Abgang von der Weihnachtsfeier
Dass die Lage schwierig werden würde, hatte Wulff bereits geahnt. Eine Weihnachtsfeier im Präsidialamt am Freitagabend verließ er vorzeitig: „Am Wochenende wird es schwierig genug“, sagte Wulff - ein Zeichen, wie angespannt er wirklich ist.
Immerhin, aus der eigenen Partei stellt sich bisher niemand offen gegen das Staatsoberhaupt, mehrere Unionspolitiker verlangten ein Ende der Angriffe auf den Präsidenten. Für die Union und Kanzlerin Angela Merkel steht viel auf dem Spiel: Sie müssen fürchten, bei einer Neuwahl des Präsidenten keinen Koalitionskandidaten mehr durchsetzen können, das wäre ein Menetekel; Schwarz-Gelb hat nur noch vier Stimmen Vorsprung in der Bundesversammlung.
Er kann weder vor noch zurück
Aber in der Unionsführung gilt die Affäre inzwischen als schwer kontrollierbar: Wulff kann nur abwarten, er hat kaum noch Handlungsmöglichkeiten: Der Präsident kann nicht mehr zurück, für eine Vorwärtsverteidigung - ein Eingeständnis möglicher Fehler mit Entschuldigung - ist es aber schon zu spät.
Strategen im Präsidialamt meinen, Wulff müsse mit demonstrativer Gelassenheit vor allem die nächsten Tage überstehen: Wenn nichts hinzukomme, könne die Weihnachtspause Entlastung bringen. Wenn nicht, muss Wulff die Lage wohl neu bewerten.
Der Fernsehauftritt in Wittenberg für den Heiligabend war auch eine Demonstration, dass er so schnell nicht weichen will. Diese Woche wird seine TV-Weihnachtsansprache für den ersten Feiertag aufgezeichnet. Einen Ersatz gibt es nicht.