Berlin. Der SPD-Parteitag war auch ein Schaulaufen der drei möglichen Kanzlerkandidaten: Vor allem die Rede Steinbrücks war mit Spannung erwartet worden - er blieb allerdings nicht nur thematisch spröde. Damit bleibt die K-Frage völlig offen.
"Das war die CDU", sagt Peer Steinbrück wie aus der Pistole geschossen, als bei seiner Rede auf dem SPD-Parteitag die Lautsprecheranlage für eine Sekunde ausfällt. "Die hören mit, die hören ganz genau mit." Schallendes Gelächter erfüllt die Halle im ehemaligen Dresdner Bahnhof in Berlin. Zum ersten Mal in der schon 20 Minuten dauernden Rede scheint der Ex-Finanzminister die etwa 500 Delegierten so richtig auf seiner Seite zu haben.
Steinbrück ist der wichtigste gesetzte Redner des Abschlusstages. Wie Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gilt er als möglicher Kanzlerkandidat für 2013. Nicht jeder in Partei freut sich, dass Steinbrück aus seinen Ambitionen keinen Hehl gemacht hat. Nun verliert Steinbrück darüber nur einen Satz, als Anspielung: In seiner Rede werde es nicht "um die Befriedigung medialer Neugier" gehen. Konzentriert arbeitet er sich durch seinen Text. Er spricht deutlich, mit nur wenigen Verhasplern. Wichtige Passagen unterstreicht er mit ausholenden Gesten beider Arme. Als er fordert, die SPD müsse ihren Regierungswillen zeigen, hebt er die geballten Fäuste über den Kopf.
Wenig Herzlichkeit zu spüren
Die Delegierten folgen ihm aufmerksam. Zeitweise verfällt er in den Ton eines finanzpolitischen Seminars. Applaus kommt immer wieder auf, wirkt aber eher höflich als begeistert. Steinbrück scheint das zu spüren. Bei Ausführungen zur Förderung der Jugend merkt er an: "Es war ein einsam klatschender junger Abgeordneter hier."
Eine Kostprobe, wie es anders sein kann, liefert der Spitzenkandidat der bayerischen Landtagswahl, Christian Ude. Als der Münchner Oberbürgermeister am Versammlungsort erscheint, beginnen die Delegierten, rhythmisch zu klatschen, Hochrufe sind zu hören. Bei Steinbrück ist diese Herzlichkeit der Delegierten für einen der Ihren nicht zu spüren.
Der 64-Jährige punktet, als er das "asoziale und amoralische Verhalten" der Märkte geißelt und dabei eigene Fehler einräumt. Die SPD habe zu lange, zu widerstandslos die Deregulierung der Märkte zugelassen, ruft er in den Saal. Auch ein Mindestlohn sei überfällig, die Leiharbeit dürfe nicht zur Spaltung des Arbeitsmarktes führen. Jeder im Saal weiß, dass Steinbrück unter Kanzler Gerhard Schröder und dessen Nachfolgerin Angela Merkel Teile dieser Maßnahmen gebilligt hat.
Keine Begeisterungsstürme wie bei Gabriel
Dass er den Saal nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißt wie am Vortag Gabriel hängt nicht nur mit dem vergleichsweise spröden Thema Steuerpolitik zusammen. Immer wieder neigt der Schachspieler zu intellektuell aufgeladenen Formulierungen. "Wenn man über das Primat der Politik redet, dann darf man die Nettoneuverschuldung nicht erhöhen", erklärt Steinbrück. "Diese Regierung macht mehr Schulden", sagte Gabriel am Vortag und setzt nach: "Dass CDU und FDP besser mit Geld umgehen können, das sind doch Ammenmärchen." Bei Gabriel tobt der Saal, bei Steinbrück wird applaudiert.
"Ich fand die Rede gut", urteilt der Delegierte Karl Söllner aus Regensburg. Ähnlich wertet der Bundestagsabgeordnete Ulrich Kelber den Auftritt: "Dafür, dass er ein so trockenes Thema hatte, hat er den Parteitag gut erreicht." Vor allem aber sei wichtig gewesen, dass er Fehler eingeräumt habe. Auch der Kölner Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach nennt die Rede sehr überzeugend und verweist darauf, dass Gabriel die großen Ziele beschworen, Steinbrück sich aber mit umstrittenen Inhalten auseinandergesetzt habe.
Eine Vorentscheidung in der K-Frage scheint kein Parteitagsdelegierter zu sehen. Erhard Eppler, eine der grauen Eminenzen der SPD, erklärt, großes Glück sei, dass die möglichen Kandidaten nicht eitel seien. Daher würden offene Streitereien wie in den 90er Jahren unter Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping wohl ausbleiben. Die drei möglichen Anwärter für 2013 würden das untereinander ausmachen.