Berlin. Als Juniorpartner in einer Koalition sieht sich die SPD auf ihrem Parteitag nicht. Der wiedergewählte Parteichef Gabriel sagte, die Partei sei auf einem guten Weg. Kritik übte er an Schwarz-Gelb. Die Regierung habe die Euro-Krise vergrößert, statt sie zu lösen.

Die SPD hat sich knapp zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl für eine Regierungsübernahme positioniert. Der wiedergewählte Parteichef Sigmar Gabriel rief am Montag in Berlin eine rot-grüne Koalition als Ziel für 2013 aus. Die Hamburgerin Aydan Özoguz wurde zur ersten stellvertretenden SPD-Vorsitzenden mit türkischen Wurzeln gewählt, auch der deutlich verkleinerte Parteivorstand wurde neu bestimmt.

"Eine Partei, die 148 Jahre alt ist, kann nicht noch einmal Juniorpartner in einer Koalition werden, die muss anführen", sagte Gabriel in seiner anderthalbstündigen Rede. "Wir setzen auf Sieg, nicht auf Platz." Seit der Wahlniederlage 2009 habe die SPD den Blick für den Alltag geschärft. "Wir wollen in zwei Jahren wieder regieren, weil wir die Lebensverhältnisse der Menschen zum Besseren wenden wollen." Gabriel wurde mit 91,6 Prozent im Amt bestätigt; vor zwei Jahren hatte er 94,2 Prozent erzielt.

Gabriel wirft Schwarz-Gelb Versagen vor

Nach dem Absturz der SPD auf 23 Prozent im Herbst 2009 sei der "Wiederaufstieg" der SPD auf einem guten Weg, sagte Gabriel. Nicht zuletzt die Erfolge bei den Landtagswahlen hätten der Partei "ihren Stolz wiedergegeben". Er sagte der Parteibasis jedoch zwei weitere Jahre harter Arbeit voraus: "Wir haben erst einen Teil der Wegstrecke geschafft."

Gabriel warf Schwarz-Gelb Versagen in der Euro-Krise vor. Die Koalition zeige lediglich, "wie man Krisen vergrößern kann, statt sie zu lösen". Hart ins Gericht ging er auch mit der FDP. Die Idee des Liberalismus sei "zu wichtig, um sie einfach aufzugeben, nur weil die FDP sie aufgegeben hat", sagte Gabriel. "Bei uns hat sie ihre neue Heimat." Er bezeichnete zugleich die Gewerkschaften als wichtigste Bündnispartner der SPD.

Kindergeld und Ehegattensplitting auf dem Parteitag

Thema auf dem Parteitag war auch das Kindergeld: Die SPD strebt ein nach Einkommen gestaffeltes Kindergeld an. "Uns ist jedes Kind gleichviel wert. Dafür wollen wir den Familienleistungsausgleich gerecht umgestalten und Familien mit geringem Einkommen besser fördern", heißt es in einem Montag vom Berliner SPD-Parteitag mit großer Mehrheit beschlossenen Grundsatzpapier.

Das neue Kindergeld solle bei Familien mit geringem Einkommen bis etwa 3000 Euro brutto von der Familienkasse ausgezahlt werden. Der bisherige Kinderzuschlag soll bei diesen Geringverdienerfamilien in das Kindergeld mit einfließen. Gleichzeitig will die SPD die steuerliche Entlastung der bisherigen Kinderfreibeträge in den oberen Einkommensgruppen begrenzen.

Geplant ist zudem eine langfristige Abkehr vom Ehegattensplitting. "Ab einem Stichtag" will die Partei für künftige Ehen eine Individualbesteuerung von Ehegatten einführen. "Das Ehegattensplitting und die Steuerklasse V zementieren das Modell des männlichen Haupternährers und der weiblichen Zuverdienerin", heißt es in dem Leitantrag des Parteivorstandes. Das bringe persönliche Risiken für Frauen mit sich: "Keine eigene soziale Absicherung, kein nennenswerter eigener Rentenanspruch, drohende Armut im Falle von Trennung oder Scheidung." Weitere Themen waren Bildung und Integration sowie Arbeit und Alterssicherung.

Vorstand wurde verkleinert

Mit Özoguz, die 86,6 Prozent der Stimmen erhielt, hat Gabriel nun fünf Stellvertreter. Als SPD-Vize wiedergewählt wurden NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (97,2 Prozent), Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (84,9 Prozent), Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (82,9 Prozent) und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (87,9 Prozent). Andrea Nahles wurde mit 73,2 Prozent als Generalsekretärin bestätigt. Schatzmeisterin bleibt Barbara Hendricks.

Die Gesamtzahl der Vorstandsmitglieder einschließlich der engeren Führungsspitze wurde im Zuge einer Parteireform von 45 auf 35 verkleinert. Bei den Vorstandswahlen erzielte die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen das beste Ergebnis, auch Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck schnitten gut ab.

Spekulation um Kanzler-Kandidaten abgeblockt

Zu den Spekulationen über die SPD-Kanzlerkandidatur sagte Gabriel, neben ihm selbst, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück gebe es weitere mögliche Anwärter. Prinzipiell seien alle Ministerpräsidenten gute Kandidaten. Es bleibe dabei, dass er erst in etwa einem Jahr einen Vorschlag mache. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann nannte Ende Januar 2013 einen realistischen Zeitpunkt. Dann könne der Schwung der Niedersachsen-Wahl am 20. Januar genutzt werden, sagte Oppermann der "Leipziger Volkszeitung" vom Montag. (afp, dapd)