Berlin. . Altkanzler Helmut Schmidt redet auf dem SPD-Parteitag in Berlin von Solidarität mit Europa – auch bei den Schulden. Der zweite Altkanzler, Gerhard Schröder, meldet sich per Interview zu Wort: Es sei längst entschieden, wer als Herausforderer von Merkel bei der nächsten Bundestagswahl antritt.

Darauf erst mal eine Zigarette. Eine Stunde lang hatte er zu den Delegierten geredet, die ihm nun stehend applaudieren. Mittendrin im Beifallssturm greift Helmut Schmidt nach den Zigaretten. Von ihm kamen gestern zum Auftakt des SPD-Parteitages weitere, diesmal politische Rauchzeichen.

Ein anderer Altkanzler sorgte für klare Sicht. In einem Interview vermutete Gerhard Schröder, dass längst entschieden sei, welcher Sozialdemokrat 2013 Angela Merkel herausfordern soll. Wenn er richtig liegt, dann führt seine Partei seit Monaten eine Farce vor, ein abgekartetes Spiel von Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier.

Wettberwerb der Köpfe und Konzepte

Die Rede des „Weltbürgers“ (SPD-Chef Gabriel über Schmidt) und Schröders Interview hängen zusammen. Schmidt markierte das Thema unserer Zeit, die Krise. Bei der Bewältigung trennt sich 2013 die Spreu vom Weizen. Es ist ein Wettbewerb der Konzepte, aber auch der Köpfe, der Kandidaten: Wem werden die Bürger vertrauen?

Die Antwort darauf führt an Steinmeier nicht vorbei. Der Fraktionschef stellte den Gegenentwurf zu Merkel vor. „Wir bereiten uns vor auf die Verantwortung“, rief er den 480 Delegierten zu. Ein Sozialdemokrat müsse dafür ins Kanzleramt. Nach dem kämpferischen Auftritt wurde auch Steinmeier gefeiert.

Schmidt appelliert an ein „mitfühlendes Herz“

Für drei Tage rückt die SPD zusammen, buchstäblich in der engen, stickigen Halle in Berlin-Kreuzberg, die früher ein Postbahnhof war. Es gibt eine Tagesordnung, eine Agenda zum Abarbeiten: Schaukämpfe um die Renten- und Finanzpolitik, die Wahl der Führung und schließlich eine Reform, mit der die SPD zur Mitmachpartei werden will. Aber vor allem gab Schmidts „Wir-Sozis“-Rede der Partei „eine Richtung“, wie NRW-Regierungschefin Hannelore Kraft meinte.

Die Gegensätze liegen offen. Kanzlerin Merkel meint, dass die Europäer zu lange auf großem Fuß gelebt haben und buchstabiert ihnen deutsche Stabilität vor. Schmidt bittet hingegen um ein „mitfühlendes Herz“, auch gegenüber Griechenland. Und Steinmeier warnt Merkel wiederum vor Schulmeisterei.

„Schädliche deutschnationale Kraftmeierei

Merkel will nicht für die Schulden anderer haften. Schmidt und Steinmeier reden von Solidarität – auch von gemeinsamen Schulden. Wer glaube, Europa könne durch Einsparungen allein gesund werden, warnte Schmidt, der „möge die schicksalhafte Wirkung von Heinrich Brünings Deflationspolitik 1930/32 studieren“. Ohne Wachstum, ohne neue Jobs könne kein Staat seinen Etat sanieren, beharrte Schmidt.

Zu den Sachkonflikten kommen Differenzen in der Haltung. Wenn jemand zu verstehen gebe, heute und künftig werde in Europa deutsch gesprochen, „dann ist das schädliche deutschnationale Kraftmeierei“, rügt Schmidt Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Merkel will Führung. Und die SPD? Den Partnern jede Angst vor deutscher Dominanz nehmen.

Geiseln der Finanzmärkte

Für Schmidt, auf den sich jeder zweite Redner bezieht, ist es an der Zeit, den Spekulanten entgegen zu treten. Einen „Aufstand“ gar erwartet der alte Mann vom EU-Parlament. „Tatsächlich haben einige zigtausend Finanzhändler in den USA und in Europa, dazu einige Ratingagenturen, die politisch verantwortlichen Regierungen in Europa zu Geiseln genommen.“

Stundenlang debattierten die 480 Delegierten über Europa. Man hätte am liebsten auf die Vorlauftaste gedrückt und bis 2013 vorgespult. „Auf die Sozialdemokratie ist Verlass“, sagte Steinmeier. „Wir sind die deutsche Europartei.“ Den Sound zum Wahlkampf gab es gestern.