Berlin. . Gibt es nun doch Euro-Bonds? Angela Merkel verkündet laut und deutlich, noch immer gegen die gemeinsamen Staatsanleihen zu sein. Doch die anderen Euro-Partner sind teilweise schon viel weiter. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verfolgt seine eigenen Pläne.

Sie hat viel gelernt, bis ins Detail. Selbst die Spreads hat Angela Merkel im Auge, den gleichzeitigen Kauf und Verkauf von Papieren. Nur Experten können aus der Zinsspanne Schlüsse auf die Liquidität auf einem Markt ziehen. Für eine Physikerin, in der Planwirtschaft sozialisiert, war die Krise ein Crash-Programm, buchstäblich: Ein Totalausfall wird nicht nur in der Wirtschaft diskutiert, wie SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier weiß. Er greift dem EU-Gipfel nächste Woche vor. „Bisher haben Sie noch jede Bastion geräumt“, rief er Merkel gestern im Bundestag zu. Kauft die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen? Gibt es Euro-Bonds? Beides wäre eine Lockerung der deutschen Linie.

Merkels Ziele

Von Anfang peilte die Kanzlerin Strukturreformen an. Ihre Sorge war, dass die Schuldenstaaten nachlässig werden könnten, sobald sie aus dem Gröbsten raus sind. Geld gab es deshalb meist zögerlich; was die Märkte irritierte – die Krise verlängerte. Merkel steckte viel Kritik ein. Nun wähnt sie sich am Ziel. Auf dem Gipfel soll eine Fiskalunion vereinbart werden. Die EU-Kommission bekäme Aufsichts-, Kontroll- und Durchgriffsrechte, würde Sanktionen verhängen. Wer gegen Auflagen verstößt, könnte vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden. Vor etwa einem Jahr – in Deauville – zog Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nicht mit. Jetzt ist der Mann da, wo Merkel ihn immer haben wollte.

Sarkozys Kalkül

Jeder Krisengipfel ist verpufft. Diesmal sollen die Beschlüsse so weitreichend sein, dass die Märkte sich beruhigen. Hält die Krise dennoch an, soll die EZB Staatsanleihen kaufen. Dazu kann man die Währungshüter nicht zwingen. Aber sie ließen sich eher dazu bewegen, wenn die Reformen stimmen. Darum ist Sarkozy dabei. Von einem Deal ist die Rede: Er stimmt Reformen zu, sie sträubt sich nicht gegen ein Eingreifen.

Merkel sagt dazu nur, die Bank sei unabhängig und könne nicht dieselbe Rolle spielen wie die US-Notenbank, die Fed. Will heißen: Die Kanzlerin würde weder nach der EZB rufen noch Kritik üben, solange die Käufe sich im Rahmen halten. Wie die Fed die Gelddruckmaschine ankurbeln, das geht aber nicht.

Dosierte Wahrheit

Am Ende könnten Euro-Bonds stehen, also gemeinschaftliche Anleihen. Die Bundesbank haftet zu 27 Prozent für die EZB. Im Klartext: Der Steuerzahler steht immer gerade, für Euro-Bonds wie für die Schulden der EZB. Euro-Bonds sind innenpolitisch ein Reizwort. Um sie gehe es „jetzt“ nicht, sagt Merkel. Andere gehen mit dem B-Wort offener um. Sie stehen auch zu den Risiken für ihre Bürger: Wohlstandsverluste. Sei es in Form von Inflation, sei es als Folge von Einsparungen. Sarkozy hat sein Volk mit einer Rede darauf vorbereitet. Merkel geht mit einer solchen Wahrheit dosiert um. Die Partner daheim sind nervös. Die FDP zittert einem Euro-Mitgliederentscheid entgegen. Die CSU, die Euro-Bonds und EZB-Aufkäufe ablehnt, plant laut „Süddeutsche Zeitung“ einen Sonderparteitag.

Plan B

Merkel hat andere Sorgen. Eine Fiskalunion setzt einen neuen EU-Vertrag voraus. Ein Konvent müsste einberufen werden, 27 Staaten wären daran beteiligt. Das ist schwierig und langwierig. Deswegen gibt es einen Plan B: Die 17 Staaten des Euro-Raums gehen voran. Auch diese Option kostet Zeit. Was passiert mit den übrigen Zehn? Die Briten behielten wohl ihre Sonderstellung. Länder wie Polen müssten beim Euro und der Fiskalunion mitziehen; sonst hätten sie nichts zu melden.

In allen Hauptstädten ist die Anspannung groß, auch im Kanzleramt. Zwar will Merkel von einem „Endspiel“ um den Euro nichts wissen. Ebenso wenig gehe es um den „letzten Schuss“. Es sei ein jahrelanger Prozess, mit einem Marathon vergleichbar. Erreicht Merkel ihr Ziel, hätte sie die politische Union vollendet. Es geht um ihre Kanzlerschaft, ihren Platz im Geschichtsbuch.