Offenbach. Bei ihrem Bundesparteitag setzen die politischen Sekrechtstarter neue programmatische Akzente - und wollen trotz der wachsenden Mitgliederzahl auf derzeit 19.000 an ihren bisherigen transparenten Strukturen festhalten. Nur per Twitter streiten wollen sie nicht mehr.
Piraten fordern bedingungsloses Grundeinkommen Bundesparteitag setzt neue politische Akzente (neu: mehr Details) Offenbach (dapd). Beflügelt von ihrem überraschenden Wahlerfolg in Berlin haben am Samstag rund 1.300 Mitglieder der Piraten über die Zukunft der Partei diskutiert. Im Mittelpunkt standen dabei sozial- und wirtschaftspolitische Themen. Nach kontroverser Debatte beschloss der Parteitag in Offenbach, dass die Piraten sich für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens einsetzen.
Parteichef Sebastian Nerz hatte die Mitglieder zu Beginn des Treffens zur Geschlossenheit aufgerufen. "Die ersten Erfolge sind die Zeit der ersten Fehler - und diese Fehler können eine Partei spalten."
Seit der Berlin-Wahl hat die Partei die Zahl ihrer Mitglieder um die Hälfte auf fast 19.000 gesteigert. Jedes Mitglied ist berechtigt, an dem Parteitag teilzunehmen. Wegen des großen Andrangs verzögerte sich der Beginn der Veranstaltung um fast eine Stunde, zudem konnten zunächst nicht alle Angereisten wegen Überfüllung der Offenbacher Stadthalle eingelassen werden . Die knapp 19.000 Parteimitglieder stellten per Internet rund 400 Anträge zur Abstimmung, über die die nun entschieden sollen. Dazu zählen etwa die deutlichere Trennung von Kirche und Staat, die Forderung nach straflosem Drogenkonsum oder der Änderung der Hartz-IV-Sätze.
"Wir wollen niemanden ausschließen"
Trotz der wachsenden Mitgliederzahl will die Partei weiter an dem basisdemokratischen Konzept festhalten. "Wir wollen niemanden ausschließen", sagte Nerz. Über kurz oder lang werde es jedoch andere Konzepte wie dezentrale Parteitage geben. Um möglichst viele Mitglieder zu Wort kommen zu lassen, wurde die Redezeit schließlich auf eine Minute pro Redner begrenzt.
Die Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen war mit Spannung erwartet worden, weil dieses Thema ein zweiter Schwerpunkt der Partei bilden soll. Mit äußerst knapper Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen die Piraten schließlich die Aufnahme der Forderung ins Parteiprogramm.
Demnach soll der Bundestag eine Enquete-Kommission gründen, "deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll". Anschließend solle die Bevölkerung in einer Volksabstimmung über die Modelle abstimmen. Bis zur Einführung eines Grundeinkommens setzen sich die Piraten für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ein.
"Nicht per Twitter streiten"
Zu Beginn des Parteitages stimmte Nerz die Mitglieder auf die kommenden Debatten und Wahlkämpfe ein: "Hinter uns liegt eine ereignisreiche Zeit, aber auch eine harte - und es liegt eine noch viel schwierigere vor uns." Er forderte die Mitglieder auf, einen neuen Stil zu pflegen und Streit nicht über den Kurznachrichtendienst Twitter auszutragen. "Schimpfwörter in 140 Zeichen sind keine Transparenz. Über Twitter oder Facebook kann man einen Streit nicht beilegen, man kann ihn nur eskalieren", sagte Nerz.
Die Piraten beschlossen zudem ein deutlicheres öffentliches Engagement gegen Rechts. Parteimitglieder dürften deshalb auf friedlichen Demonstrationen "Parteiinsignien zur Schau stellen", um gegen "totalitäre, faschistische oder diktatorische Bestrebungen" zu protestieren.
Am Abend wollten die Mitglieder dann über ihre Haltung zur Euro-Krise debattieren und abstimmen. Intern heftig umstritten ist dabei die Position des Vorstandsmitglieds Matthias Schrade. Er fordert einen harten Kurs gegenüber Euro-Krisenländern bis hin zum Ausstieg aus der EU und stellte einen Antrag, der wortgleiche Formulierungen der Euro-Skeptiker um den FDP-Rebellen Frank Schäffler enthält. Schrade wurde deshalb von anderen Piraten nahegelegt, die Partei zu verlassen. (dapd/afp)