Essen. Politikwissenschaftler Achim Goerres hat an der Uni Duisburg-Essen den Lehrstuhl für Politikwissenschaften übernommen. Für die Piraten sieht er keine große Zukunft. Als Ein-Themen-Partei könnten sie sich nicht durchsetzen. Mit den Grünen ließen sich die Piraten nicht vergleichen - ihnen fehle ein übergeordnetes Thema.
Die Piratenpartei will nicht erst seit ihrem Landesparteitag in Soest, der am Wochenende tagte, weg vom Image der reinen Internet-Partei. Dass ihr das langfristig wenig nutzen wird, ist die Überzeugung von Professor Achim Goerres (34), der an der Uni Duisburg-Essen den Lehrstuhl für für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Methoden der empirischen Politikwissenschaft übernommen.
Professor Goerres, die Piraten-Partei liegt bundesweit derzeit bei rund zehn Prozent. Haben wir es nach Grünen und Linken mit einer weiteren Etablierung einer neuen Partei zu tun?
Achim Goerres: Nein, wir sehen hier nur eine Partei, die ein wichtiges Themengebiet aufgreift, das von den etablierten Parteien noch nicht genügend berücksichtigt wird. In fünf Jahren werden die Piraten bei Wahlen keine Rolle mehr spielen.
Warum?
Die Piraten sind das, was man im Englischen eine One-Issue-Partei nennt. Sie haben nur ein Thema. Digitale Transparenz und Informationsfreiheit.
Bei den Grünen waren es Umweltschutz, Ökologie.
Mit diesen Kernthemen haben sie angefangen und haben dann eine komplette politische Ideologie entwickelt. Darin verkörpern die Grünen bis heute erfolgreich den gesellschaftlichen Wertewandel hin zum Postmaterialismus.
Was heißt das?
Der überzeugte Grünen-Wähler will nicht nur die Umwelt schützen. Es teilt auch eine komplette Lebenseinstellung, in der rein materielle Werte wie Besitzstand oder Wachstum kritisch hinterfragt werden.
Und die Piraten?
Stehen nicht für ein geschlossenes, kohärentes Wertesystem. Bei den Piraten geht es ausschließlich ums Thema Internet. Das kann langfristig keine Wahl-Erfolge bringen. Die etablierten Parteien werden schon bald das Thema in ihre Programme mit aufnehmen, dann haben sich die „Piraten“ erledigt.
Wählen eigentlich nur Junge die Piraten? Einer Ihrer Forschungsschwerpunkte heißt ja „Politik in alternden Gesellschaften“.
Ganz sicher haben die „Piraten“ vor allem junge Wähler. Junge Wähler neigen stärker zur Wahl von nicht-etablierten Parteien. Je mehr Erfahrung man hat, desto eher beschränkt man sich in der Folge auf die etablierten Parteien. Das ist der einzige Effekt, den ich in Bezug auf Veränderungen des Wahlverhaltens über den Lebenslauf feststellen konnte.
Aber Alte wählen doch immer die gleiche Partei, oder?
Das ist nur ein Klischee und stimmt nicht mehr mit der Realität überein. Was wir festgestellt haben: Wer erstmals frei gewählt hat unter Adenauer, der bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit der CDU/CSU treu. Wer erstmals frei gewählt hat unter Kanzler Brandt, der tendiert mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Leben lang eher zur SPD oder Grünen. Dieser so genannte „Sozialisationseffekt“ nimmt aber merklich ab. Das heißt: Auch jene werden älter, die sich politisch nicht lebenslang binden und beim Wählen häufiger die Partei wechseln.