Karlsruhe. . Auf dem Programmparteitag in Offenbach sucht die Piratenpartei nach eigenen Positionen: Knapp 1800 Mitglieder wollen 400 Anträge abarbeiten.

Die politischen Gewässer rund um den Großtanker Bundesregierung sind tückisch und voller Untiefen. Kein Wunder, dass die Piratenpartei, angeschoben vom noch immer günstigen Wind der Wählergunst, sich für die Kaperfahrt zum Entern des Tankers nun erst einmal einen Kompass sucht: Wer in Berlin mit am Steuerstand stehen will, braucht klare Positionen.

Und die wollen sich die Piraten nun auf einem Programmparteitag in Offenbach verordnen. Der platzt allerdings mit rund 400 Anträgen nicht nur inhaltlich aus allen Nähten: Die Offenbacher Stadthalle mit 1200 Plätzen wird dem Ansturm der Mitgliedern kaum gewachsen sein.

Weil Basisdemokratie bei den 2006 gegründeten Piraten herrscht, kennen sie auch kein Delegiertensystem. Auf ihre Parteitage darf deshalb jedes Mitglied kommen, und in Offenbach werden es mehr denn je sein: Innerhalb eines Jahres wuchs die Partei um über 6000 auf inzwischen mehr als 18.600 Mitglieder. Knapp ein Zehntel davon wird erwartet, wenn bis Sonntagabend ein programmatischer Kurs für „Grundlagen und Ziele piratiger Politik“ absteckt werden soll.

Antrag auf eine „repressionsfreie Drogenpolitik“

Einige der möglichen Wegmarken befinden sich schon mitten in der Realpolitik. Andere Punkte sind dagegen noch politische Un-Orte, Utopien. Dazu zählt etwa der Antrag auf die „Einführung eines Nulltarifs im Öffentlichen Personennahverkehr“, die „Abschaffung der Sommer/Winterzeit“ und die wohl heikelste Klippe, an der die Piraten derzeit auf Grund laufen können: Den Antrag auf eine „repressionsfreie Drogenpolitik“ für einen „freiheitlichen selbstbestimmten Umgang“ etwa mit Cannabis und Kokain.

„Diesen Einzelantrag schleppen wir unbehandelt seit drei Parteitagen mit“, sagt Parteisprecher Christopher Lang. Er hofft, dass dieser Antrag unter den etwa 80 sein wird, die in Offenbach allenfalls behandelt werden können, damit das für viele Mitglieder anscheinend eher leidige Thema endlich von der Tagesordnung kommt.

Datenschutz als Grundrecht

Den Löwenanteil der Programmarbeit machen am Samstag allerdings die klassischen Themenblöcke „Arbeit und Soziales“, „Wirtschaft und Finanzen“ oder „Umwelt und Energie“ aus, für die allein mehr als fünf Stunden verplant sind. Dort will die Basis dann etwa ihre Position zur Eurokrise suchen, über eine dezentrale Energiewirtschaft debattieren, die auf grünen Strom setzt und entscheiden, ob Datenschutz als Grundrecht im Grundgesetz verankert werden soll.

Ein anderer der knapp 400 Anträge, die die Mitglieder auf einer parteiinternen Wiki-Seite ins Internet stellen und dort vorab diskutieren konnten, steht zudem weit oben auf der noch provisorischen Tagesordnung. Es ist die Forderung nach einem sogenannten Bedingungslosen Grundeinkommen für alle.

Existenzsicherndes Bürgergeldes

Das etwa auch vom früheren Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus (CDU) oder dem Drogerie-Markt-Gründer Götz Werner vertretene Modell eines existenzsichernden Bürgergeldes soll einem Antrag zufolge auch ins Programm für die Bundestagswahl 2013. Im Bundestag angekommen, wollen die Piraten dann sogleich eine Kommission gründen, die Modelle für ein Grundeinkommen „konkret ausarbeiten“ soll.

Dass den Piraten der Einzug ins Parlament gelingt, ist nicht ausgeschlossen. In das Berliner Abgeordnetenhaus haben sie es bei der Wahl im September mit 8,9 Prozent geschafft, und im bundesweiten Umfragetrend erreichen sie derzeit rund sechs Prozent. Damit sind sie doppelt so stark „wie die kleinste Regierungspartei, die FDP“, freut sich Sprecher Lang.

Wie hart die Piraten auf dem Weg zu einer Regierungspartei am Wind segeln müssen oder ob eine Flaute in der Wählergunst sie zuvor noch stoppt, wird nun auch auf dem Programmparteitag in Offenbach mit entschieden. (afp)