Moskau. . Russland wählt am Sonntag ein neues Parlament. Die Staatspartei „Einiges Russland“ von Wladimir Putin verliert in Umfragen. Obwohl eine schlagkräftige Opposition fehlt, lässt der Kreml Getreue aufmarschieren. Beobachter gehen davon aus, dass der Kreml auch durch unlautere Mittel einen glatten Wahlsieg garantieren wird.
Russlands Machtapparat ist nervös geworden. Die Stimmung in der Bevölkerung wendet sich gegen den Kreml. Deshalb warnt der Gouverneur von Omsk, Leonid Poleschajew, vor der Duma-Wahl am Sonntag das Volk vor den Folgen einer Niederlage der Staatspartei „Einiges Russland“ von Wladimir Putin: „Große Industriebetriebe könnten unser Gebiet verlassen.“
In anderen Regionen hat „Einiges Russland“ alle Wahlveranstaltungen abgeblasen, wie Parteifunktionäre der Internetzeitung gaseta.ru mitteilten. „Uns wurde gesagt, still zu halten, um die Lage nicht weiter zu destabilisieren“. In Moskau wollen die Behörden am Wahltag 50.000 Polizisten konzentrieren. Außerdem sollen bis zu 40.000 Aktivisten der kremlnahen Jugendorganisation „Die Unsrigen“ herangeschafft werden – auch um im Fall der Fälle die herrschende Ordnung zu verteidigen.
Umfrageergebnisse rutschen ab
Eigentlich könnten der Kreml und seine Partei schon ihren Sieg feiern. Zwar rutschten die Umfrageergebnisse gegenüber dem Rekordergebnis bei der Wahl 2007 von über 64 auf zuletzt 53 Prozent ab. Aber Experten vermuten, dass „Einiges Russland“ mit Hilfe von Manipulationen offiziell wieder 56 bis 60 Prozent erreichen wird – eine bequeme absolute Mehrheit. Zumal die übrigen Parteien nur als Pseudo-Opposition gelten.
Zwar gebärdet sich Gennadi Sjuganow, der Spitzenkandidat der Kommunisten, ebenso als nationalpopulistischer Kämpfer gegen die Korruption wie Wladimir Schirinowski, Anführer der Liberaldemokraten. Aber in Moskaus politischen Kreisen besteht kein Zweifel, dass ihr Gefolge in der Duma im Ernstfall für den Kreml stimmen wird. So wie es die Fraktion „Gerechtes Russland“ des Putin-Spezis Sergei Mironow tun wird.
Kaum Opposition
Figuren und Kräfte, die wirklich opponieren könnten, stehen erst gar nicht zur Wahl. So wurde der liberale Oligarch Michail Prochorow von Kremlleuten aus seiner eigenen Partei geekelt. Der demokratische Block „Parnas“ scheiterte schon beim Versuch, sich als Partei registrieren zu lassen. Opposition ist zurzeit nur eine Randerscheinung. Zumal wirtschaftlich keine Not herrscht und die Masse der Bevölkerung nichts von Politik wissen will.
„Einiges Russland“ zittert trotzdem. Vor wenigen Tagen wurde Parteichef Wladimir Putin bei einer Sportveranstaltung in Moskau heftig ausgepfiffen, ein Novum in Russland. „Ihr einziges Ass, Putin, sticht nicht mehr“, sagt der Politologe Juri Korgonjuk. Vor drei Jahren noch undenkbar.
Manipulierte Wahlen
Das saubere Bild von „Einiges Russland“ hat Kratzer bekommen. Auch, weil das vom Kreml zensierte Fernsehen Konkurrenz aus dem Internet bekommt. Dort tauchen zahlreiche Audios und Videos auf, die dokumentieren, wie Partei- und Staatsfunktionäre versuchen, die Wahlen zu manipulieren. Ein Video zeigt, wie der Bürgermeister von Ischewsk von Rentnern verlangt, für „Einiges Russland“ zu stimmen, anderenfalls werde ihre Finanzierung mies ausfallen. Laut einer Audioaufzeichnung fordert der Gouverneur von Tscheljabinsk von Betriebschefs, ihre Belegschaften zu vorzeitigen Abstimmungen zu zwingen. Für „Einiges Russland“ natürlich.
„Die öffentliche Meinung kippt“, sagt Korgonjuk. In Moskau sollen nur noch neun Prozent der Wahlberechtigten hinter „Einiges Russland“ stehen, so eine Quelle aus dem Rathaus. Deshalb sollen am Sonntag 40.000 „Unsrige“, so wird vermutet, in Moskau mit getürkten Wahlbenachrichtigungen gleich mehrfach wählen, um das Ergebnis der Partei in der Hauptstadt zu retten.
Putins Rollenspiele