Moskau. .
Richtungsweisende, ja epochale politische Ereignisse passieren oft ganz beiläufig. Am Samstag schlug Präsident Dmitri Medwedew in Moskau vor, bei den Präsidentschaftswahlen 2012 solle Premier Wladimir Putin kandidieren. Der nahm den Vorschlag glatt an und lud seinerseits Medwedew ein, sein Premierminister zu werden.
Das russische Herrschafts-Tandem wechselt die Sitzplätze, eigentlich nur eine Formsache. Denn auch nachdem Putin aus Verfassungszwängen 2008 den Präsidentensessel an Medwedew abgab, war immer klar: Das letzte Wort in Russland hat weiter Putin. Jetzt aber will der starke Mann wieder heraus aus dem Schatten, ganz nach vorne, auf die große Bühne.
Bis Samstag gab es die schwache Aussicht, er werde dem eifrig wenn auch ohne rechte Resultate reformierenden Medwedew eine zweite Amtszeit gönnen. Und Putin werde sich selbst vielleicht noch weiter zurücknehmen, etwas mehr Demokratie zulassen, um Ventile zu schaffen für die leise wachsende Unzufriedenheit vor allem des Mittelstandes.
Geplatzte Hoffnungen
Die Hoffnung darauf schwand schon vor wenigen Wochen, als die Partei „Rechte Sache“, das vom Kreml gestartete Projekt einer liberalen Alternative zur Staatspartei „Einiges Russland“, von Strohmännern des Kremls gesprengt wurde. Offenbar waren die Sprüche des Parteichefs Michail Prochorow zu oppositionell, offenbar hatte man im Kreml Angst vor der eigenen Courage gekriegt.
Und jetzt ist die Hoffnung, das System werde sich in absehbarer Zukunft von selbst öffnen, endgültig geplatzt. Denn Putin ist wieder da. Um die Macht nicht nur auszuüben, sondern auch, um sie auszukosten, im Rampenlicht internationaler Gipfeltreffen, aber auch im zaristischen Glanz des Kreml. Die Verfassung erlaubt ihm zwei neue Amtszeiten von je sechs Jahren. Und es gibt keinen Grund anzunehmen, er werde diese nicht voll nutzen. Mit anderen Worten: Wladimir Putin will Russland bis 2024 regieren.
Gebaut auf Öl ud Gas
Es gibt noch weniger Grund anzunehmen, Putin kehre in den Kreml zurück, um den Reformstau, in dem Russland steckt, endlich mit energischen Maßnahmen aufzulösen. Schon als er mit 47 Jahren erstmals in den Kreml einzog, hofften Unternehmertum und Ausland auf Reformen. Aber rasch entpuppte er sich als Präsident der Apparatschik. der seine ganze Fürsorge der schnell wuchernden Bürokratie widmete.
Wenn er im Mai nächsten Jahres feierlich in den Kreml zurückkehrt, ist er 59 Jahre alt; höchst zweifelhaft, dass er die Methoden, die sich für ihn und seine elitäre Klientel bewährt haben, plötzlich aufgeben wird. Klar, dass Russlands Staatshaushalt weiter auf Öl- und Gasexporte bauen wird, dass Putin versuchen wird, Europa mit teuren Pipeline-Projekten an sein Rohstoffimperium zu fesseln, dass er mit sarkastischen Sprüchen gegenüber westlichen Verhandlungspartnern den Hurra-Patriotismus zu Hause schüren wird.
Die Zukunft Russlands
So bedarf es nach zwölf Jahren, die Wladimir Putin das Land bereits dominiert, wenig Fantasie, sich dessen Zukunft bis 2024 vorzustellen: Potemkinsche Wirtschaftsreformen, wuchernde Bürokratie und noch heftiger wuchernde Korruption, zensiertes Staats-TV, verprügelte Oppositionelle, manipulierte Wahlsiege der Staatspartei, blutiger Kleinkrieg im Kaukasus, eine weiter rostende, weiter bröckelnde Infrastruktur. Statt sich zu wandeln, neu zu erfinden, droht Russland zu erstarren.