Essen. Die mutmaßlichen Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe hatten Helfer. Doch warum blieb die „Zwickauer Zelle“ so lange unentdeckt? Hat sie noch mehr Gewalttaten verübt? Nun hofft das Bundeskriminalamt, mit Hilfe der Bevölkerung die Unterstützer zu fassen.

Seit vier Wochen wissen die Deutschen, dass eine braune Terrorgruppe kaltblütig mindestens zehn Menschen umbrachte. Doch warum blieb die „Zwickauer Zelle“ so lange unentdeckt? Hat sie noch mehr Gewalttaten verübt? Gibt es Grund zur Sorge vor weiteren Anschlägen? Fragen, Fakten – und eine vorsichtige erste Bilanz.

Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sind tot, Beate Zschäpe sitzt in Haft. Was wird dem Trio angelastet?

Generalbundesanwalt Harald Range war 90 Minuten im Amt, als er sich das erste Mal mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ befassen musste. Heute sagt er: „Die Gruppe hat aus rechtsradikalen Motiven zehn Menschen ermordet, weitere schwer verletzt und Überfälle zur Geldbeschaffung unternommen“. Die „Döner-Morde“ an acht Türken und einem Griechen wird der NSU angelastet, der Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter, zwei Anschläge in Köln, bei denen sie gefährliche Sprengsätze verwendete und 14 Banküberfälle in Thüringen.

Beate Zschäpe schweigt. Welche Beweismittel gibt es?

Insgesamt fanden die Fahnder 2000 Asservate, darunter 14 Waffen, in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung. Weitere 500 Beweismittel wurden in dem Wohnwagen, in dem Mundlos wahrscheinlich erst Böhnhardt und dann sich getötet hatte, sichergestellt. Das Bundeskriminalamt kann einige Waffen, auch die bei den „Döner-Morden“ verwendete Ceska, konkreten Taten zuordnen. Der Mord an dem türkischen Kioskbesitzer in Dortmunds Nordstadt am 4. April 2006 gilt deshalb schon als geklärt. Bei vielen Schusswaffen ist der Einsatz aber unbestimmt. Deshalb die öffentliche Fahndung. Die Polizei will wissen: Gehen mehr Morde auf das Konto der Drei?

Haben sie Helfer gehabt und wie lebten sie?

Zwischen 2000 und heute nutzten sie 54 angemietete Fahrzeuge, 30 Wohnungen und Wohnmobile. Ihre Morde und Banküberfälle planten sie akribisch. Fahnder fanden zahlreiche detaillierte Skizzen und ADAC-Pläne. 600 000 Euro Beute machten sie bei ihren Banküberfällen. Zwei Helfer, auch der Macher der „Bekenner-CD“, sitzen in Haft. Die Schuld weiterer Verdächtiger wird geprüft. Der Kreis wird auf zehn bis zwölf geschätzt.

Sind Ausländer noch immer von rechtsextremen Mordkommandos bedroht?

BKA-Chef Jörg Ziercke beruhigt: Nein. Es sind keine weiteren Anschlagspläne bekannt, auch keine Gruppen, die Ähnliches vorhaben. Selbst für „die, die auf den aufgefundenen Listen stehen, gibt es keine Gefahr“. Die Terrrorgruppe hatte 10 000 Namen und Adressen aus dem Internet heruntergeladen.

Gibt es offene Fragen?

Sehr, sehr viele. „Wir stehen erst am Anfang“ sagt Ziercke. Einige Beispiele: Warum wurde bei den Döner-Morden immer dieselbe Ceska-Pistole verwendet? Wieso fanden alle Banküberfälle in der thüringischen Umgebung statt, während die Mord-Tatorte über das Bundesgebiet verstreut lagen? Gab es neben Rassismus weitere Motive? Warum brach die Mordserie 2007 ab – unmittelbar nach der Tötung der Heilbronner Polizistin? Kannte sie ihre Mörder? Wo haben sich die Täter danach aufgehalten? Sie haben „bürgerlichen Urlaub“ gemacht – auf Fehmarn, vielleicht in Bulgarien und Südafrika: Wer sah sie dort? Wie tief reichen die Drähte in die NPD? Welche Rollen spielten Verfassungsschützer bei der Beobachtung? Operierten V-Leute in der Nähe der Tatorte? Vor allem: Warum jagten die Sicherheitsbehörden zehn Jahre lang den falschen Spuren nach?