Leipzig. Der Streit um das Recht eines muslimischen Schülers auf sein Mittagsgebet in der Schule ist beendet: Die Schule darf das rituelle islamische Gebet verbieten - wenn dies nötig ist, um den “Schulfrieden“ zu wahren. Das entschied am Mittwoch höchstinstanzlich das Bundesverwaltungsgericht.
Yunus M. darf in der Schule nicht beten. Wenn der junge Muslim seine Jacke als Gebetsteppich ausbreitet, sich gen Mekka orientiert und das rituelle Mittagsgebet spricht, könnte das den "Schulfrieden" stören. Das meinte 2007 die Leiterin seines Gymnasiums im Berliner Stadtteil Wedding. Sie verbot dem damals 14-Jährigen, auf dem Schulflur zu beten. Das Bundesverwaltungsgericht hat ihre Einschätzung nun bestätigt.
Ein Schüler habe keinen Anspruch darauf, in der Schule sein Gebet zu verrichten, "wenn dies konkret geeignet ist, den Schulfrieden zu stören", teilte das Gericht in Leipzig am Mittwoch mit. Aufgrund der Verhältnisse an dem betreffenden Gymnasium - dort kommen Schüler aus mehr als 20 Nationalitäten, aller Weltreligionen und diverser Glaubensrichtungen zusammen - könne ein rituelles Gebet auf dem Schulflur Konflikte hervorrufen oder verstärken, befand das Gericht. So habe es an Yunus M.s Schule bereits vor dem Rechtsstreit "teilweise sehr heftig" ausgetragene Konflikte zwischen Muslimen über die Auslegung und Befolgung des Korans gegeben. Und einen abgeschlossenen Gebetsraum einzurichten, nur damit das Gebet nicht öffentlich praktiziert wird, "würde ... die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen", urteilten die Richter.
Keine Grundsatzentscheidung
Das Urteil zieht einen Schlussstrich unter einen vierjährigen Rechtsstreit. Yunus M. hatte Ende 2007 gegen das Bet-Verbot geklagt und zunächst vom Verwaltungsgericht Recht bekommen. Die Schule stellte ihm daraufhin in der Pause einen ungenutzten Computerraum fürs Gebet zur Verfügung - die Entscheidung sorgte als "Gebetsraum-Urteil" bundesweit für Beachtung. Das Land Berlin ging jedoch in Berufung - mit Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilte im Mai 2010, dass für den Schüler zwar Glaubensfreiheit gelte. In solch einer gemischten Schülerschaft wie am Weddinger Gymnasium sei es aber schlicht "nicht möglich, allen Ansprüchen an die jeweilige Religionsausübung gerecht zu werden" und gleichzeitig Rücksicht auf die Glaubensfreiheit von Anders- oder Nichtgläubigen zu nehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht sah das genau so - betont aber, dass die Entscheidung sich allein auf den konkreten Einzelfall beziehe. Das Bundesverwaltungsgericht habe nicht festgestellt, "dass die Verrichtung eines Gebets in der Schule von der Schulverwaltung generell unterbunden werden kann", heißt es. Im Gegenteil: Schüler dürften durchaus außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule beten, Schulen müssten trotz des Neutralitätsgebotes nicht "von jeglichen religiösen Bezügen freigehalten werden". Aber: Im konkreten Fall werde die "ohnehin bestehende Gefahr für den Schulfrieden" durch das öffentlich zelebrierte Gebet noch erhöht.
Rechtsmittel gegen das Urteil bleiben Yunus M. nun nicht mehr. Er könnte aber noch Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen, wenn er seine Grundrechte verletzt sieht.
(Az: BVerwG 6 C 20.10)