Essen. . Ende 2012 läuft der Kyoto-Prozess aus. Der Klimagipfel in Durban gilt als letzte Chance, einen neuen Vertrag für den weltweiten Klimaschutz zu vereinbaren. Die Zeit drängt, doch die Erwartungen sind nicht allzu groß.
Es sind entscheidende Stunden in der Klimadiplomatie der Vereinten Nationen, die nun anbrechen. Der UN-Gipfel, der an diesem Montag in Durban in Südafrika beginnt, gilt als wohl letzte Chance, ein neues Vertragswerk für den weltweiten Klimaschutz auf den Weg zu bringen.
Den Vertretern von über 190 Staaten rennt die Zeit davon. Ende 2012 läuft das Kyoto-Protokoll aus, es ist das einzige völkerrechtlich verbindliche Abkommen, das Standards setzt und verbindliche Regeln vorschreibt. Einigen sich die Delegierten in Durban nicht auf einen Fahrplan, wie es weiter gehen soll, droht den Gesprächen unter dem Dach der UN die Bedeutungslosigkeit. Ohne Anschlussregelung und ohne verbindliche Regeln wäre Klimaschutz freiwillig. Das aber würde zum Beispiel den den Emissionshandel in Europa aushöhlen. Eine wichtige Finanzierungsquelle des Klimaschutzes würde dann versiegen. In deutschen Verhandlungskreisen befürchtet man ein politisches Vakuum in den Klimaverhandlungen.
Vor allem die Ärmsten leiden unter den Folgen
„Je mehr wir die Verhandlungen verschleppen, desto größer wird unser Finanzierungsbedarf, um die Folgen des Klimawandels zu bezahlen“, sagt Anika Schröder vom Hilfswerk Misereor. „Die Ärmsten der Armen aber haben kein Geld, um sich nach einer Flut neues Saatgut zu kaufen“. Conny Hedegaard, Klimakommissarin und Verhandlungsführerin der EU in Durban, kündigte einen Strategiewechsel an. Das Geld für Umweltprojekte, die sich Industrieländer zur Erfüllung ihrer Klimaziele anrechnen können, soll künftig nur noch den ärmsten Ländern zugute kommen. „Die Konferenz in Durban muss das Denken des 20. Jahrhunderts überwinden, das die Welt in einen reichen Norden und einen armen Süden teilte“, sagte Hedegaard dem „Spiegel“.
Viel Skepsis klingt in diesen Worten mit.Tatsächlich stehen der Aufwand der jährlichen UN-Klimagipfel mit über 10 000 Teilnehmern und das Erreichte in einem krassen Missverhältnis. 2010 erreichte der Anstieg der Emissionen einen Rekordwert. Sechs Prozent oder 512 Millionen Tonnen CO2 mehr bliesen die Länder weltweit in die Luft. Der „Monster-Anstieg“, so das US-Energieministerium“, sei Folge der wieder anspringenden Weltwirtschaft und insbesondere dem Wachstum in den großen Schwellenländern China und Indien geschuldet. Das übergeordnete Ziel, die Erwärmung der Erde auf zwei Grad zu beschränken, um die gefährlichen Folgen des Klimawandels abzufedern, rückt in weite Ferne.
USA und China müssen ins Boot geholt werden
Dass die Klimaverhandlungen ins Leere laufen, zeigt sich auch am Kyoto-Protokoll. Die Länder, die sich dem Abkommen unterworfen haben, werden ihre Ziel erfüllen. Doch die Welt hat sich verändert. 1997, als in Kyoto der Klimavertrag zustande gebracht wurde, vereinigten die Unterzeichner-Staaten noch knapp 60 Prozent der weltweiten Emissionen auf sich. Heute sind es nur noch 30 Prozent. Weder die USA noch China, die nunmehr für knapp die Hälfte des globalen CO2-Ausstoßes stehen und deren Emissionen steigen, sind verbindlichen Regeln unterworfen.
Wie weiter? - Dies ist die zentrale Frage in Durban. Die EU tritt für eine zweite Kyoto-Verpflichtungsperiode (2013-2017) ein, fordert jedoch das Schließen von Schlupflöchern. Zugleich stellt Verhandlungsführerin Conny Hedegaard klar, dass globaler Klimaschutz unmöglich sei, wenn nicht die weltgrößten Luftverschmutzer USA und China ins Boot der Klimakoalition geholt werden.
Einen Plan B gibt es nicht
Für Jan Kowalzig, Klimaexperte der Hilfs- und Entwicklungsorganisation Oxfam, ist eine Paketlösung denkbar. Bis 2015 könnte die Architektur eines neuen Abkommens verhandelt werden, das ab 2018 in Kraft treten würde. Kyoto II wäre somit die Brücke. Dass in Durban eine Anschlussregelung gefunden werde, sei möglich, aber nicht sicher, heißt es in Verhandlungskreisen. Einen Plan B aber gibt es nicht.
Auch Geld spielt eine große Rolle in Durban. Beschlossen werden soll ein weltweiter Klimafonds (Green Climate Fonds). Er soll Gelder verteilen, um Klimaschutzprojekte sowie Anpassungsmaßnahmen (etwa der Bau von Deichen) in Entwicklungsländer zu finanzieren. Die Industrieländer haben zugesagt, bis 2012 kurzfristig 30 Milliarden Dollar einzuzahlen. Ab 2020 sollen jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimahilfen bereit stehen. Viele rechtliche Fragen zwischen Geber- und Nehmerländern sind noch ungeklärt. Die USA sträuben sich.