Berlin. Die Schuldenpolitik der Bundesregierung sorgt für heftige Auseinandersetzungen in der Generaldebatte des Bundestages. SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel griff Kanzlerin Merkel direkt an und war ihr eine verfehlte Haushaltspolitik vor. Merkel und FDP-Fraktionschef Brüderle verteidigten die neuen Schulden - und warnten die Opposition.

In der Generaldebatte des Bundestages hat SPD-Chef Sigmar Gabriel der Bundesregierung vorgeworfen, für die steigende Neuverschuldung des Bundes verantwortlich zu sein. Es sei "verheerend", dass die Koalition trotz guter, steigender Steuereinnahmen den "Schuldenberg" vergrößere, sagte Gabriel am Mittwoch in der Debatte über den Kanzlerhaushalt. Der SPD-Chef warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, mit ihrer Haushaltspolitik gegen die Maßgaben der Schuldenbremse zu verstoßen. "Sie stellen die Schuldenbremse in unserer Verfassung auf den Kopf", sagte Gabriel. "Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir die Schulden abbauen?"

Gabriel verwies darauf, dass der Etatplan eine Neuverschuldung von gut 26 Milliarden Euro für 2012 vorsehe. Für das laufende Jahr werde inzwischen aber nur noch eine Neuverschuldung von rund 22 Milliarden Euro erwartet. Mit der steigenden Neuverschuldung verliere Merkel auch in Europa an Autorität, wo sie angesichts der Schuldenkrise einen "ganz harten Sparkurs" verordne. "Es gibt viele in Europa, die zu Recht die Faust ballen über diese arrogante Haltung der Regierung."

"Sie spielen mit dem Feuer"

Scharf kritisierte Gabriel Merkels Kurs in der Schuldenkrise. Die Europäische Zentralbank (EZB) häufe durch Ankäufe von Staatsanleihen aus Schuldenländern immer höhere Risiken an. "Wir wollten doch keine Schulden- und Transferunion, doch genau das geschieht zur Zeit in Europa", sagte er. "Sie spielen mit dem Feuer", warf er Merkel vor.

Scharf kritisierte Gabriel die von Union und FDP geplanten Steuersenkungen, die er als "Blödsinn" bezeichnete. "Statt zu sparen, ziehen Sie auch noch die Spendierhosen an", sagte er. Die Steuersenkungen würden die Finanznot von Städten und Gemeinden verschärfen und dadurch auch der Verbreitung des Rechtsextremismus Vorschub leisten. "Dort, wo sich Städte und Gemeinden aufgrund ihrer Finanznot zurückziehen, dort dringen Neonazis ein", sagte Gabriel. Die Streichung von Freizeit- und Betreungseinrichtungen schaffe "sozial entleerte Räume", in denen sich Neonazis breit machen könnten.

Bundeskanzlerin Merkel weist Vorwürfe zurück und warnt die Opposition vor Blockadehaltung

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Opposition vor einer Blockade der geplanten Steuerentlastungen gewarnt. Wenn die Opposition einerseits wolle, dass das Arbeitslosengeld II steige, sie aber andererseits beim Grundfreibetrag nichts für die Menschen tun wolle, "die im Eingangssteuerberich leben und arbeiten", könne man dies gerne in der Öffentlichkeit austragen, sagte Merkel am Mittwoch in der Generaldebatte zum Haushalt 2012 im Bundestag. Das Motto müsse sein: "Wer arbeitet, muss mehr haben, als wenn er nicht arbeitet." Merkel zeigte sich zuversichtlich, für die geplanten Änderungen die nötigen Mehrheiten zu bekommen. "Dass man den Grundfreibetrag anheben muss, ist überhaupt keine Frage."

Merkel bekräftigte, außer um die Anhebung des Grundfreibetrags gehe es der Koalition darum, durch eine Verschiebung des Steuertarifs dafür sorgen, dass Lohnsteigerungen nicht durch die Inflation verloren gingen. Wenn die Opposition auch dies verweigere, werde sie dies mit ihr ebenfalls gerne in der Öffentlichkeit austragen. Der Koalition gehe es um Steuergerechtigkeit. Der Bund sei bereit, dazu die auf Kommunen und Länder zukommenden Belastungen zu übernehmen.

Brüderle: Notenpresse anwerfen ist grundsätzlich falsch

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle verwahrt sich gegen Vorhaltungen der Opposition, der Bundesregierung mangele es sich an einem ernsthaftem Sparwillen. Es sei vielmehr die SPD, die mit ihren Milliardenforderungen den Marsch in den Schuldenstaat fortsetzen wolle, sagte Brüderle am Mittwoch in der Generaldebatte des Bundestages in Berlin. Schwarz-Gelb hingegen werde in der Politik wieder "Maß und Mitte" finden und die Finanzen sanieren.

Ausdrücklich widersprach der FDP-Politiker Forderungen, mit Euro-Bonds der Schuldenkrise in Europa zu begegnen. Die Notenpresse anzuwerfen, löse keine Probleme, sondern sei grundsätzlich "falsch". Das helfe dauerhaft keinem angeschlagenen Euro-Land und verstoße letztlich gegen die deutsche Stabilitätskultur. Der Liberale versicherte: Mit der FDP werde es keine "Politik nach Schlagzeile" und keinen "Zinssozialismus" geben. (rtr/dapd/afp)