Berlin. Als Konsequenz aus den Terroranschlägen der Zwickauer Neonazi-Zelle soll es ein neues “Abwehrzentrum Rechts“ sowie eine zentrale Neonazi-Datei geben. Das Abwehrzentrum wird Medienberichten zufolge in NRW angesiedelt.
Der Kampf gegen Neonazi-Terror in Deutschland soll künftig zentral organisiert werden. Geplant sind die Einrichtung eines "Abwehrzentrums Rechts" und eine Sammel-Datei für sämtliche Ermittlungsergebnisse verschiedener Behörden.
Das neue Zentrum gegen Rechtsterrorismus soll in Nordrhein-Westfalen entstehen. Wie die "Rheinische Post" berichtet, verständigten sich die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern bei einer Sonderkonferenz am Freitag in Berlin darauf, das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsterrorismus im rheinischen Meckenheim, 20 Kilometer südlich von Bonn, anzusiedeln. Dort ist bereits das Bundeskriminalamt (BKA) mit einer Zweigstelle vertreten.
Laut Zeitungsbericht sollen in der Außenstelle 50 Fachleute aus dem Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz, den Landesstellen, dem Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern zusammengeführt werden. Später könne das Personal noch aufgestockt werden.
Die Innen- und Justizminister von Bund und Ländern einigten sich zudem auf eine zentrale Datei für Informationen der Verfassungsschutz- und Polizeibehörden über rechtsextremistische Kreise. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärte, dass es dabei nicht nur um terroristische Bedrohungen gehe, sondern auch um Extremismus als eine mögliche Vorstufe des Terrors.
Am neuen "Abwehrzentrum Rechts" sollen sich zunächst das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt (BKA) beteiligen. Noch besprochen werde, inwieweit die Polizei- und Verfassungsschutzbehörden der Länder und die Bundesanwaltschaft dabei mitarbeiten sollten, sagte Friedrich.
Warnung vor Aktionismus
Die Links-Fraktion im Bundestag kritisierte die Beschlüsse. "Wer mit neuen Datenbanken und der Aufweichung des Trennungsgebots von Polizei und Geheimdiensten Grundrechtsabbau betreibt, erweist der Demokratie einen Bärendienst", sagte Jan Korte, Mitglied im Fraktionsvorstand der Links-Fraktion.
Grünen-Chefin Claudia Roth warf der Bundesregierung Aktionismus im Kampf gegen rechten Terror vor. Die eigentliche Aufgabe sei jetzt "eine entschiedene, lückenlose Aufklärung der Geschehnisse und Versäumnisse rund um die rechtsterroristischen Morde und Anschläge". Auch der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, warnte vor übereilten Schlussfolgerungen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte hingegen die Pläne.
Auch ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren wurde auf dem Sondergipfel in Berlin diskutiert. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger will diese Option akribisch prüfen. Es dürfe "auf gar keinen Fall passieren", dass ein solches Verfahren noch einmal "sehenden Auges" scheitert, sagte die FDP-Politikerin mit Bezug auf den erfolglosen Anlauf zu einem NPD-Verbot im Jahr 2003. Eine Arbeitsgruppe der Landesinnenminister werde sich mit einem möglichen neuen Verfahren befassen.
"Serie von Defiziten und Fehlern"
Die Justizministerin sprach von einer "Serie von Defiziten und Fehlern" bei den Ermittlungen gegen die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Friedrich sagte: "Wir müssen uns für all diejenigen entschuldigen, die einen Fehler gemacht haben."
Die Bundesanwaltschaft hat für die Ermittlungen in dem Fall ein Lagezentrum eingerichtet, wie Generalbundesanwalt Harald Range sagte. Seine Behörde prüfe derzeit Verbindungen von zwei weiteren möglichen Unterstützern der Zwickauer Terrorgruppe.
Bisher werden der Zelle drei Personen zugerechnet: Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, die nach bisherigem Ermittlungsstand Selbstmord begangen haben, sowie die in Köln in Untersuchungshaft sitzende Beate Zschäpe. Zudem stehen zwei Männer, Holger G. und Matthias D., unter Verdacht, die Zelle unterstützt zu haben.
Zschäpe will vorerst nicht aussagen. Ihr Anwalt Wolfgang Heer sagte der Nachrichtenagentur dapd in Köln, er habe seiner Mandantin geraten, "zunächst keine Erklärungen zur Sache abzugeben". Zuvor war BKA-Präsident Jörg Ziercke noch davon ausgegangen, dass Zschäpe aussagen wolle. Wahrscheinlich habe sie sich aus diesem Grund gestellt, sagte er in Berlin.
Ziercke wies zugleich Berichte über eine "Todesliste" der Zwickauer Zelle zurück. Es stimme zwar, dass eine Liste mit "über 10.000 Anschriften und Namen" entdeckt wurde, sagte Ziercke. Das sei aber keine "Todesliste". Alle auf der Liste verzeichneten Personen würden informiert mit dem Hinweis, dass es keinen Grund zur Besorgnis gebe. Die Liste stamme aus dem Jahr 2005. (dapd)