Essen. . CSU-Innenminister Herrmann startet eine neue Diskussion um ein NPD-Verbot. Die Gewerkschaft der Polizei pocht auf ein Verbotsverfahren. Bundesinnenminister Friedrich sieht eine neue Form des rechtsextremen Terrors. Gegen die “Brandstifterin von Zwickau“ Beate Z. wurde Haftbefehl erlassen.

Nach Bekanntwerden des rechtsextremen Hintergrunds in der sogenannten Döner-Mordserie und vor dem Hintergrund des NPD-Bundesparteitags in Neuruppin ist die Debatte um ein Verbot der Partei neu entbrannt. Joachim Herrmann (CSU), Bayerischer Staatsminister des Innern, sprach sich angesichts der rechtsextremen Mordserie für ein neues Verfahren zum NPD-Verbot aus: "Ich bin dafür, dass wir das NPD-Verbot wieder auf die Tagesordnung setzen", sagte Herrmann am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Günther Jauch". Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe müsse die rechtlichen Hürden für ein solches Verfahren überdenken. "Da muss auch Karlsruhe seine Meinung dazu ändern", sagte Herrmann.

Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, warnte vor zu hohen Erwartungen an ein NPD-Verbot. "Man muss ernsthaft über das NPD-Verbot nachdenken. Aber die Diskussion um die NDP dient auch dazu, von der eigentlichen Diskussion, abzulenken", sagte Özdemir. "Wir müssen darüber reden, dass NPD und Rechtsradikale in manchen Teilen Deutschlands, vor allem im Osten unserer Republik, gesellschaftlich hegemonial geworden sind."

Bosbach warnt vor neuem NPD-Verbotsverfahren

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), warnte dagegen vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren. "Die dramatischen Erkenntnisse der letzten Tage ändern nichts daran, dass sich der Staat seit dem plötzlichen Aus des NPD-Verbotsverfahrens 2003 dank Karlsruhe in einem echten Dilemma befindet", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Einerseits verlangt das Gericht, dass vor einem neuen Antrag alle V-Leute abgezogen werden. Andererseits sind wir zu Beobachtung und Gefahrenabwehr dringend auf Infos aus dem Innenleben der Partei angewiesen. Ein erneutes Verfahren würde Jahre dauern. Und deshalb wäre der Erkenntnisverlust gerade wegen der Gefährlichkeit der NPD höchst riskant." Bosbach fügte hinzu: "Wenn in immer kürzeren Abständen ein Verbotsantrag gefordert wird, der dann doch nicht kommt, hinterlässt der Staat einen hilf- und kraftlosen Eindruck."

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) pocht auf einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. GdP-Vorsitzender Bernhard Witthaut sagte der "Passauer Neuen Presse", dass sich diese Frage jetzt umso dringender stelle. "Die Gewerkschaft der Polizei fordert bereits seit längerem ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Ein Verbot der NPD würde auch den Sicherheitsbehörden helfen. Die Partei könnte keine regulären Parteitage mehr abhalten. Die NPD hätte von einem Tag auf den anderen ihre finanzielle Basis verloren", sagte Witthaut. "Eine braune Terrorzelle wird man mit einem neuen Verfahren sicherlich nicht verhindern können. Ein NPD-Verbot wäre aber ein schwerer Schlag für die gesamte rechtsextreme Szene in Deutschland."

Haftbefehl gegen Beate Z.

Der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs (BGH) hat Haftbefehl gegen die 36-jährige Beate Z. wegen des dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) erlassen. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, wie die Strafverfolgungsbehörde am Sonntagabend in Karlsruhe mitteilte.

Die als "Brandstifterin von Zwickau" bekannte Beate Z. soll 1998 gemeinsam mit den am 4. November 2011 nahe Eisenach tot aufgefundenen Uwe B. und Uwe M. eine rechtsextremistische Gruppierung gegründet haben, die sich zuletzt als NSU bezeichnet habe. Das Haus in Zwickau, in dem Uwe B. und Uwe M. mit Beate Z. lebten, wurde am 4. November bei einer Detonation zerstört. Die Frau soll die Wohnung in Brand gesetzt haben, "um Beweismittel zu vernichten".

Nach den bisherigen Erkenntnissen sei die NSU für die sogenannten Döner-Morde an acht türkischstämmigen Männern und einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 und dem Mord an einer Heilbronner Polizistin im April 2007 verantwortlich. Die Döner-Mordserie an insgesamt neun ausländischen Ladenbesitzern geschah in Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund und Kassel.

Keine Kontakte zwischen Tätern und Verfassungsschutz

Bundesinnenminister Friedrich sieht eine neue Form des rechtsextremen Terrors.
Bundesinnenminister Friedrich sieht eine neue Form des rechtsextremen Terrors.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) fordert angesichts der Enthüllungen zu Mordanschlägen einer rechtsradikalen Gruppe eine "bessere Verzahnung von Polizei und Verfassungsschutz auf Länderebene". Es sei "sehr beunruhigend, dass zwischen der Mordserie in ganz Deutschland und der rechtsextremen Szene in Thüringen kein Zusammenhang erkannt wurde", sagte Friedrich der "Bild"-Zeitung. Die Bundesanwaltschaft ermittle wegen des Vorwurfs der Bildung einer terroristischen Vereinigung. Bei den Ermittlungen werde sich "sicher rasch klären", ob hinter den bekannten Tätern ein größeres Netzwerk stehe, sagte Friedrich.

Nach derzeitigem Ermittlungsstand gebe es keine Kontakte zwischen den bekannten Tätern und dem Verfassungsschutz oder dem Bundeskriminalamt. Da sich die Vorgänge im Bereich des Thüringer Landes-Verfassungsschutzes abgespielt hätten, müsse diese Behörde nun "dringend aufklären". "Ich bin dem thüringischen Innenminister daher sehr dankbar, dass er eine Kommission eingesetzt hat, die genau auch diese Fragen klären soll und wird", sagte Friedrich.

"Neue Form des rechtsextremistischen Terrors"

Nach der Festnahme eines vierten Verdächtigen in der sogenannten Döner-Mordserie warnt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vor "einer neuen Form des rechtsextremistischen Terrors". Der CSU-Politiker kündigte an, dass alle ungeklärten Straftaten mit fremdenfeindlichen Hintergrund seit 1998 noch einmal daraufhin überprüft werden sollen, ob sie der Mordserie zugeordnet werden können. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich am Sonntag erschüttert und sicherte eine umfassende Aufklärung zu.

Die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) wollte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aus einer fremden- und staatsfeindlichen Gesinnung heraus vor allem Mitbürger ausländischer Herkunft töten. Dies sei der "Zweck" der terroristischen Vereinigung gewesen, heißt es in einer Entscheidung des BGH-Ermittlungsrichters, mit der Haftbefehl gegen die 36-jährige Beate Z. wegen dringenden Verdachts der Mitgliedschaft in der NSU erlassen wurde. Damit gab der BGH-Richter einem Antrag der Bundesanwaltschaft statt, wie die Strafverfolgungsbehörde am späten Sonntagabend in Karlsruhe mitteilte. (dapd)