Essen. . Neue Studie belegt: Studienbeiträge von 1000 Euro im Jahr vermindern den Studierwillen junger Menschen nicht. Forscher vom Wissenschaftszentrums für Sozialforschung Berlin führten Langzeitstudie durch. Kritik an Untersuchungsmethode und Interpretation der Daten.

Jahrelang tobte der Streit: Studiengebühren wirken abschreckend, behaupteten die einen. Nein, Gebühren halten junge Menschen nicht von einem Studium ab, war das Mantra der Befürworter. Mit etlichen Studien belegten in den vergangenen Jahren die jeweiligen Parteien ihre Positionen. „War all die Aufregung umsonst?“ So lautet der erste Satz einer Studie des Wissenschaftszentrums für Sozial­forschung Berlin (WZB). Das Fazit ihrer Langzeitunter­suchung lautet: Gebühren wirken sich nicht nachteilig auf den Studierwillen der Schulabgänger aus. Jedenfalls nicht in der bislang verlangten Höhe von 500 Euro im Semester.

Die WZB-Forscher Tina Baier und Marcel Helbig, selbst keine Gebührenbefürworter, fanden in ihrer Langzeituntersuchung sogar An­zeichen dafür, dass Studienberechtigte die höheren Kosten mit einer größeren Wertschätzung eines Studium für den späteren beruflichen Werdegang „verrechnen“. Für die Aussicht auf eine bessere Qualität der Lehre sowie ein später höheres Gehalt nehmen die die jungen Leute der Umfrage zufolge die gut 1000 Euro Mehrkosten im Jahr in Kauf, vermuten die Autoren. Deshalb war in Gebührenländern die Studierneigung nicht ­geringer als in gebührenfreien Bundesländern. „Dieses Phänomen zeigte sich vor allem bei Studienberechtigten aus nichtakademischen Haushalten – und damit bei jener Gruppe, für die ein deutlich nega­tiver Effekt von Studiengebühren vermutet worden war.“

Für ihre Ergebnisse bedienten sich die WZB-Forscher der Daten, die das Hochschulinformationssystem (HIS) zwischen 1999 und 2008 erhoben hat. „In keiner unserer Analysen war ein signifikanter Rückgang in der Studier­neigung durch Studiengebühren zu beobachten“, schreiben Baier und Helbig.

Ausdrücklich weisen sie ­jedoch darauf hin, dass aus ihren Befunden nicht der Schluss gezogen werden ­könne, Studiengebühren hätten grundsätzlich keine negativen Auswirkungen auf die Studierneigung. Ihre Ergebnisse beziehen sich auf den Maximalbetrag von 500 Euro.

Kein dramatischer Effekt

Die Ergebnisse überraschen Prof. Michael Hartmann, ­Soziologe und Eliteforscher an der TU Darmstadt und ein ­dezidierter Gebührenkritiker, nach eigenen Worten wenig. „500 Euro sind zu wenig für einen dramatischen Effekt.“

Hartmann kritisiert indes die Methode und die Deutung der Daten. „Es wurde nur nach der Studierneigung gefragt, nicht aber geprüft, ob die jungen Leute auch wirklich ein Studium beginnen“, sagt Hartmann der WAZ-Mediengruppe. Die Aussage, es gebe keinen Abschreckungseffekt, sei demnach fraglich. Auch moniert er die mangelhafte soziale Differenzierung der Studie, die nur zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern unterscheidet. „Der Abschreckungseffekt dürfte bei ­Kindern – vor allem bei Mädchen – aus Arbeiterfamilien deutlicher spürbar sein.“ Dazu aber gebe es keine Studien.

Dennoch könnte die WZB-Untersuchung das Ende der Debatte markieren. Hartmann: „Ich glaube nicht, dass die Politik das Thema in ­absehbarer Zeit noch einmal anfassen wird.“