Düsseldorf. . Die NRW-Landesregierung will auf Besser-Studieren.NRW.de herausfinden, was Studenten an ihren Studienbedingungen ändern würden. Das Online-Portal ist sehr gut gestartet, hat aber auch noch einige Mängel. Wichtigste Themen der Studenten: Finanzen und Zeit. Die Befragung läuft bis 21. November.

Sie ist gerade einmal seit Montag online - und trotzdem wurde die Seite schon fast 270 000 Mal aufgerufen, gut 9 300 Umfragen wurden ausgefüllt und über 6 500 Kommentare verfasst: Besser-Studieren.NRW.de scheint zu funktionieren.


Das Online-Portal wurde vom Wissenschaftsministerium Nordrhein-Westfalen initiiert, um herausfinden, was NRWs Studenten am Studium stört. „Über das Portal wollen wir den Stimmen der Studentinnen und Studenten mehr Gewicht und eine Möglichkeit zur aktiven Mitsprache geben. Ich will wissen, wo Studentinnen und Studenten der Schuh drückt, was aus ihrer Sicht im Hochschulalltag gut läuft und was man verbessern kann“, sagte Wissenschaftsministerin Svenja Schulze. Und die Studierenden nutzen es fleißig. Das überrascht auch das Wissenschaftsministerium. „Wir freuen uns sehr, dass es so gut angenommen wird. Mit so viel Beteiligung von Anfang an haben wir nicht gerechnet“, sagt Dirk Borhart, Pressesprecher des Ministeriums.

In dem Portal können sich die Studenten anonym anmelden und nicht nur auf die sieben, sehr allgemein gehaltenen Start-Thesen des Ministeriums antworten, sondern auch eigene Thesen online aufstellen. Auch da sind die Studierenden gut dabei: 43 eigene Thesen wurden formuliert, darunter naheliegende wie „An meiner Hochschule gibt es Probleme mit zu wenigen und überfüllten Hörsälen und Seminarräumen.” Aber auch komplexe Aussagen wie „Hat eine Regierung das Recht mir vorzuschreiben, wie schnell mein Kopf lernen muss? Wie viel kann man in drei Jahren seinem Wissen hinzufügen?” werden hier zur Diskussion gestellt.

Verzicht auf Klarnamen

Dass nicht hochschul- und studiengangsspezifisch diskutiert wird, ist vor allem dem Datenschutz geschuldet, wie Borhart erklärt: „Natürlich haben wir darüber nachgedacht, ob bei den Äußerungen und Antworten der Studenten der Studiengang und die Hochschule verpflichtend mit abgefragt werden soll.“ Man habe sich aber zugunsten des Datenschutzes und einer niedrigeren Hemmschwelle dagegen entschieden. „Wenn ein Student ein Exotenfach studiert, könnte man sonst ganz leicht nachvollziehen, wer er ist.“ Außerdem würde die komplette Anonymisierung und der Verzicht auf Klarnamen die Beteiligung erleichtern. „Es gibt mehr Hemmungen, sich zu äußern, wenn man leicht identifizierbar ist“, sagt Borhart. Trotz der Anonymität seien relativ wenige so genannte „Trolle“ unterwegs. „Der Ton ist sehr sachlich und konstruktiv. Die Studenten nehmen das sehr ernst“, freut sich Borhart. Die rege Beteiligung zeige auch, dass die Studenten-Generation nicht so uninteressiert sei, wie ihr nachgesagt wird.

Das ist wohl Schwäche und Stärke gleichzeitig: Ein Maschinenbau-Student an der RWTH Aachen hat oft andere Sorgen als eine Musikwissenschaftlerin aus Düsseldorf. Die vom Ministerium gestellten Start-Fragen sind so allgemein gehalten, dass sich einige Studenten nicht ernst genommen fühlen.

„Studieren kostet!“

Dieses Problem der Online-Befragung spiegelt sich auch in den Kommentaren wider. Gerade auf der Lob- und Kritik-Seite wird von Studenten bezweifelt, dass auf diese Weise wirklich etwas über die Studienbedingungen herausgefunden wird. „Ich wollte gerade an der Onlineumfrage teilnehmen und musste leider bei der dritten Frage abbrechen, weil keine der Antwortalternativen meine Situation widerspiegelt“, beschwert sich eine Studentin: „Ich habe neben dem Studium keinen Job, keine familiären Verpflichtungen, keinen Hund und habe auch sonst wenig Zeit für andere Dinge. Den angestrebten Arbeitsaufwand von 32-39 Stunden der Woche überschreite ich dennoch bei Weitem!“

Viele geben dieses Arbeitspensum auch als Grund an, warum sie nicht innerhalb der Regelstudienzeit studieren. „Ich muss viel arbeiten gehen nebenbei, um Bücher und Materialien für die Uni zu kaufen. Ich bekomme kein Bafög, muss mich also irgendwie über Wasser halten“, gibt ein User zu bedenken. Ein anderer Student führt das noch genauer aus: „Studieren kostest! Selbst ohne Studiengebühren müssen Semesterbeitrag/-Ticket, Lebenserhaltungskosten und ein wenig Kultur/Freizeit bezahlt werden. Zur „Arbeitsbelastung“ zählt nicht nur das Studieren, sondern ebenso die Lohnarbeit. Außerdem gibt es noch ein Leben neben dem Studium, welches der BA ziemlich zusammenschrumpfen lässt. Was ist z. B. mit ehrenamtlichen Engagement im sozialen und/oder politischen Bereich? Und würde man teilzeit studieren, hätte man keinen Anspruch mehr auf Bafög!“.

50-60 Stunden die Woche fürs Studium

Gerade die vom Wissenschaftsministerium abgefragte Aussage „Das Studium kann bei einer Arbeitsbelastung von 32 bis 39 Stunden pro Woche in der Regelstudienzeit absolviert werden” wird engagiert diskutiert - und meist vehement verneint. So antworten auf die Frage, ob die Aussage auf ihr Studium zutreffen würde, über 600 mit „Nein“ oder „eher Nein“, aber nur gut 100 mit „Ja“ oder „eher Ja“. Die Aussage eines Users, „Utopisch. Die Arbeitsbelastung liegt bei einem erheblichen Teil der Studierenden meines Studiengangs bei 50-60 Stunden pro Woche“, stimmt in den Chor der überlasteten Studenten ein. Kommentare wie: „Ich kann nur vom Medizinstudium sprechen. Und dieses kann ohne Zweifel bei einer Arbeitsbelastung von 32 bis 39 Stunden pro Woche in der in Regelstudienzeit abgeschlossen werden“, bleiben die Ausnahme.

Bulemielernen

Einige Thesen haben einen leicht sarkastischen Unterton. „Ich muss nicht Bulimielernen, sondern erwerbe praxisnahes, aktuelles Wissen und Kompetenzen, die für mein späteres Leben sinnvoll sind.” Bulemielernen - diese Neuwortschöpfung scheint vielen Bachelor- und Masterstudenten aus der Seele zu sprechen. „Versaut versaut versaut wurde das alte echte Lernen. Jetzt Bulimie im Quadrat! Kein Bezug zu anderen Bereichen. Lernen, vergessen, lernen ...“, kommentiert ein User diese Aussage und ein anderer fasst es noch kürzer: „Man muss so viel lernen, dass man sein Wissen in der Klausur ‘auskotzt’, damit der Kopf frei ist für den nächsten Klausurstoff :( .“

Im Dialogverfahren

Der Hintergrund der Befragung ist der Bologna-Prozess und damit die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge. Anhand der Ergebnisse der Befragung sollen die Studienbedingungen verbessert und der Bologna-Prozess weiterentwickelt werden. „Auch die Novellierung des Hochschulgesetzes soll nicht Top-Down stattfinden, sondern im Dialogverfahren, gemeinsam mit den Studenten“, erklärt der Ministeriumspressesprecher Dirk Borhart.