Berlin. In die Debatte um das Betreuungsgeld schaltet sich jetzt auch Bundeskanzlerin Merkel ein: Die Regierung überlege, wie sie Missbrauch verhindern kann. Sie wies die Kritik des Berliner Bezirksbürgermeisters Buschkowsky zurück. Der hatte gewarnt: Die Unterschicht versaufe die Kohle der Kinder.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Kritik am geplanten Betreuungsgeld ab 2013 zurückgewiesen. Dass das Geld von Eltern zweckentfremdet werde, könne verhindert werden, sagte die Kanzlerin am Mittwoch in N24. Mit Unverständnis reagierte Merkel auf Äußerungen des Berliner Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky (SPD). Er hatte die «Herdprämie» mit drastischen Worten kritisiert und erklärt: «Die deutsche Unterschicht versäuft die Kohle ihrer Kinder.»

Merkel sagte, es gebe bereits Überlegungen, möglichem Missbrauch vorzubeugen: «Für Hartz-IV-Empfänger zum Beispiel wollen wir überlegen, ob wir Gutscheine anbieten. Zum Beispiel für Bildung der Kinder oder für den Besuch bestimmter Einrichtungen. Das wäre ja eine Möglichkeit.»

Eltern, die ihre Kinder zu Hause erzögen, sollten nicht benachteiligt werden gegenüber denen, für die die Steuerzahler sehr viel Geld aufwendeten, um Kinderbetreuung finanzieren zu können, erklärte Merkel. Zu Buschkowsky Behauptung, das Geld werde von der Unterschicht ohnehin nur «versoffen», meinte Merkel: «Das ist nicht meine Sprache.»

150 Euro pro Monat und Kind

Die neue Bundesregierung will ab 2013 allen Familien, die ihre Kinder bis zu drei Jahren zu Hause betreuen, 150 Euro im Montag zahlen - «gegebenenfalls als Gutschein», wie es bereits im Koalitionsvertrag heißt. Buschkowsky, der im Berliner Problemkiez Nord-Neukölln 84 Prozent Schulanfänger mit Migrationshintergrund hat, sagte der «Bild»-Zeitung»: «Mit der Herdprämie integrieren wir die Kinder nicht, sondern lassen sie zu Hause - und prämieren das auch noch.»

Der Bezirksbürgermeister fügte in N24 hinzu: «In bestimmten Schichten wandert das Geld in Statussymbole, in Konsumverhalten, in Alkohol - dort, wo Gewalt zum Familienalltag gehört, da, wo Sozialnormen nicht gelebt werden, wo Rücksichtnahme ein Fremdwort ist. Wir alle kennen diese Milieus. Und wir haben immer gesagt, wir müssen die Kinder aus den Milieus holen.»

In Ausländerfamilien fließe das Geld auch in das heimatliche Dorf, sagte der SPD-Politiker. Er plädierte dafür, das Geld besser in eine kostenlose Vorschulerziehung zu stecken, statt das Kindergeld zu erhöhen und eine Betreuungsprämie zu zahlen.

Verständnis für die Kritik kommt vom Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann. Das Betreuungsgeld «ist in jedem Fall ein Fehlanreiz für Familien mit geringem Einkommen», sagte Oppermann der «Passauer Neuen Presse».

«Die Äußerungen des Bürgermeisters sind nicht korrekt, aber auch nicht lebensfremd», sagte Oppermann. «Für Kinder ist es wichtig, dass sie mit anderen Kindern zusammen sind und sich soziale Kompetenz aneignen», betonte der SPD-Politiker. Daher sei es «bildungspolitisch falsch, eine Prämie dafür zu zahlen, dass die Kinder zu Hause bleiben». Nach Ansicht Oppermanns wäre es fatal, wenn «jetzt die Kinder zu Hause bleiben, die auf Chancen der Betreuung und gemeinsamen Erziehung angewiesen wären ob aus der deutschen Unterschicht oder aus Einwandererfamilien». Er nannte das Betreuungsgeld «eine Prämie für die Bildung von Parallelgesellschaften».

Zustimmung bei Kinderhilfswerken

Auch nach Einschätzung des Berliner Kinder- und Jugendwerks «Arche» liegt Buschkowsky mit seiner Kritik durchaus richtig. Die Deutsche Kinderhilfe erklärte, mit wünschenswerter Klarheit habe er die Effekte der Bargeldförderung von Familien in Deutschland beschrieben: «Baralimentation der Eltern mit der Gießkann kommt häufig bei den Kindern nicht an. Bargeld erhöht nicht die Erziehungskompetenz der Elerten, sie zementiert vielmehr den sozialen Ausgrenzungsstatus.»

Buschkowsky hat bereits mehrfach mit deutlichen Worten auf Missstände in seinem Problemkiez aufmerksam gemacht. Während der ehemalige Berliner Finanzsenator und heutige Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin mit seinen Äußerungen über den angeblich fehlenden Integrationswillen von Migranten speziell in Berlin für Empörung gesorgt hat, wird Buschkowsky bescheinigt, nicht nur zu kritisieren, sondern auch für Abhilfe sorgen zu wollen. (ddp)