Berlin. . Auf ihrem Parteitag vom 21. bis 23. Oktober in Erfurt möchte die Partei Die Linke ihr Grundsatzprogramm verabschieden – und einen Schlussstrich ziehen unter ein vermurkstes, von Wahlschlappen geprägtes Jahr 2011.

Erst ist sie in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Dann hat es in Mecklenburg-Vorpommern nicht für ein Bündnis mit der SPD gereicht – und nun ist die Linke in Berlin auch noch aus der Stadt-Regierung geflogen. Im Bund dümpelt sie in Umfragen bei acht Prozent, gleichauf mit der Piratenpartei: Auf ihrem Parteitag vom 21. bis 23. Oktober in Erfurt möchte die Partei ihr Grundsatzprogramm verabschieden – und einen Schlussstrich ziehen unter ein vermurkstes, von Wahlschlappen geprägtes Jahr 2011.

Dass sich mit dem Parteitag vieles zum Besseren wendet, ist unwahrscheinlich. Die Linke hat Probleme, die nicht allein durch ein neues Parteiprogramm behoben werden können. Den umstrittenen Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst ist es nicht gelungen, die verfeindeten Lager auf eine Linie zu bringen. Die Reformer, die auf rot-rote oder rot-rot-grüne Koalitionen drängen, streiten um den Kurs mit den Fundamentalisten, die auf knallharte Opposition setzen. Von einer geschlossenen Partei sei man „himmelweit entfernt“, sagt Ernst.

Die Linke hat es bislang nicht geschafft, sich inhaltlich breit genug aufzustellen. Mit ihren einstigen Wahlkampfschlagern, dem Protest gegen die Agenda 2010 und Hartz IV, dringt sie immer weniger durch. Vor allem junge Wähler kehren ihr den Rücken zu.

Zermürbende Debatten über Castro und Mauerbau

Statt der Regierung zuzusetzen oder in der Finanzkrise zu punkten, lieferte sich die Partei zermürbende Debatten über ihre Haltung zum Kommunismus, zum Mauerfall oder zu Israel. Schließlich sorgte ein Glückwunschreiben der Parteispitze an Fidel Castro für so böses Blut, dass den Berliner Wahlkämpfern der Kragen platzte. Dazu fielen die Parteioberen regelmäßig übereinander her. Seit Wochen predigt das Führungspersonal, bis zum Parteitag nicht mehr öffentliche Personaldebatten anzuzetteln. Ohne Erfolg.

Unverdrossen schwelt die Debatte, ob Sahra Wagenknecht neben Gregor Gysi Fraktionschefin werden soll. Während der linke Flügel die Ex-Sprecherin der kommunistischen Plattform herbeisehnt, ist sie für viele Reformer ein rotes Tuch. Sie befürchten einen Linksruck, haben dem aber offenbar wenig entgegenzusetzen. Teile der Partei würden deshalb wohl gerne den Beschluss von 2010, eine Doppelspitze in der Fraktion zu installieren, kassieren – allein um Wagenknecht zu verhindern. Sollte es wie geplant am 8. November bei den Wahlen bleiben und die 42-Jährige antreten, kann sie allenfalls mit einem knappen Sieg rechnen. Es wäre kein guter Start neben Gysi, der zu Wagenknecht vielsagend schweigt.

Ebenso munter wie imageschädigend wuchern die Spekulationen um die Nachfolge des glücklosen Parteivorstands. 2012 wird gewählt. Lötzsch und Ernst könnten Platz machen für Fraktionsvize Dietmar Bartsch – und Wagenknecht. Diese wiederum hat die Debatte um eine Rückkehr ihres Förderers Oskar Lafontaine entfacht. An der Seite von Gysi könnte die vom Krebs genesene Linken-Ikone in den Wahlkampf 2013 ziehen. Das Spitzenduo wäre dann 70 und 65 Jahre alt.

Was nach Methusalem-Alarm klingt, hat für den linken Flügel Charme. „Eine Boygroup-Politik wie bei der FDP käme bei unseren Wählern nicht an“, sagt die Bochumer Abgeordnete Sevim Dagdelen und rühmt die Altherren-Combo: „Wir können auf die Erfahrung und Kampfkraft von Gysi und Lafontaine nicht verzichten.“ Das mag sogar sein, weil Lafontaine ein begnadeter Wahlkämpfer ist. Ein Aufbruchsignal ist das freilich nicht – eher der Griff nach dem letzten Strohhalm.