Essen/Rom. . Wieder hat Silvio Berlusconi den Kopf aus der Schlinge gezogen. Mit knapper Mehrheit wehrte der Premier ein Misstrauensvotum gegen ihn ab – es war das 51. in der Regierungszeit des 75-jährigen Ministerpräsidenten.
Wieder hat Silvio Berlusconi den Kopf aus der Schlinge gezogen. Mit knapper Mehrheit wehrte der Premier ein Misstrauensvotum gegen ihn ab – es war das 51. in der Regierungszeit des 75-jährigen Ministerpräsidenten. Trotzdem ist klar, dass sich die Zeit des umstrittenen „Cavaliere“ zu Ende neigt. Völlig offen ist allerdings die Frage, was nach Berlusconi kommt.
Er begann als Sänger auf einem Kreuzfahrtschiff, machte Geld als Baulöwe, stieg auf zum milliardenschweren Medien-Unternehmer, wurde schließlich Regierungschef Italiens – Silvio Berlusconi ist zweifellos die schillerndste Persönlichkeit zumindest unter den europäischen Regierungschefs. Seine Frauengeschichten füllen weltweit die Klatschspalten, die Klagen und Prozesse gegen ihn, in denen es um Korruption, Bestechung, Steuerhinterziehung und Machtmissbrauch ging und geht, füllen Dutzende Aktenordner – und doch ist Silvio Berlusconi seit über 15 Jahren die beherrschende politische Figur Italiens.
Nun schien es, als habe sein letztes Stündchen an der Spitze der Regierung geschlagen. Staatspräsident Giorgio Napolitano höchstselbst hatte am Mittwoch gemahnt, es gebe Spannungen und Unsicherheiten innerhalb der Regierung, die die Verabschiedung dringend notwendiger Reformen verzögerten. Er sorge sich, so Napolitano, ob die Mitte-Rechts-Regierung in der Lage sei, wichtige Entscheidungen fürs Land zu treffen. Berlusconi müsse darauf eine „glaubwürdige Antwort“ geben.
Täglich neue Vorwürfe
Der Regierungschef rettete sich gestern mit dem knappen Sieg über ein Haushaltsbegleitgesetz noch einmal über die Runden, doch seine Zeit läuft ab. Die Stimmen derer, die den Premier aus dem Amt kippen wollen, werden immer lauter. Denn: Zwar steckt Italien mit seinem horrenden Staatsdefizit, der hohen Jugendarbeitslosigkeit und nicht zuletzt durch die Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit in einer tiefen Krise – doch die Regierung hat ganz offensichtlich nicht mehr die Kraft zu geeigneten Gegenmaßnahmen.
Seit zwei, drei Jahren, seit sich der Premier vor allem wegen seiner Sex-Skandale fast täglich neuen Vorwürfen gegenüber sieht, verwendet er alle Kraft darauf, Klagen abzuwehren. Effektives Regierungshandeln findet kaum noch statt, dafür gibt Berlusconi immer neue Durchhalteparolen aus.
Doch die ziehen immer weniger. Selbst langjährige politische Partner wie der Vorsitzende der separatistischen Lega Nord, Umberto Bossi, machen keinen Hehl mehr daraus, dass sie Berlusconis überdrüssig sind. Allerdings fürchten sie, bei einem Sturz des Premiers und folgenden Neuwahlen abgestraft zu werden – und ihre lukrativen Posten und Mandate zu verlieren. Sie setzen darauf, dass der Premier von sich aus bei der wohl 2012 anstehenden vorgezogenen Neuwahl von sich aus nicht mehr antritt. „Berlusconi ist das Problem“, raunte Bossi kürzlich öffentlich.
Als Nachfolger an der Spitze der Regierung wird Angelino Alfano gehandelt. Der Ex-Justizminister und neue Generalsekretär der Berlusconi-Partei PdL hat wohl auch Ambitionen, möchte aber nicht „Königsmörder“ sein. Wie so viele im Regierungslager hat er Berlusconi viel zu verdanken.
Wie Kaninchen und Schlange
Alles in allem müsste dies ein Fest sein für die Opposition – wenn es sie denn gäbe. Seit Jahren starrt die italienische Linke ängstlich auf Berlusconi wie das Kaninchen auf die Schlange. Ihre Schwäche ist Berlusconis größte Stärke. Der Verweis auf die Skandale Berlusconis verfängt nicht mehr, die Italiener sind diese Debatte schlicht leid. Politisch hat die Linke kein überzeugendes Programm präsentiert. Ihrem Chef Pier Luigi Bersani von der Demokratischen Partei (PD) fehlt es an Ausstrahlung und Charisma. Ein Ende dieses italienischen Dilemmas ist nicht erkennbar.
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