Rom. Politische Ränkespiele, Lügen, Sexpartys - Silvio Berlusconi dominiert Italiens Politik seit 15 Jahren. Auch deshalb gehört das Land zu den großen Sorgenkindern Europas.
Silvio Berlusconi ist wohl die schillerndste Person in der europäischen Politik. Im Bau- und Mediengeschäft brachte er es zeitweise bis zum reichsten Mann Italiens, als Politiker prägt er das Land seit über 15 Jahren. Nun feiert er seinen 75. Geburtstag - an einen Rückzug aus der Politik denkt der Senior jedoch offenbar nicht.
In den vergangenen Monaten machte der italienische Ministerpräsident weniger mit politischen Initiativen Schlagzeilen, sondern vielmehr mit jugendlichen Geliebten und wilden Partys. Offenbar ließ er sich für seine Feiern junge Frauen von einem Geschäftsmann aus Bari zuführen. Die mutmaßlichen Prostituierten sollen sogar in Regierungsflugzeugen zu den Partys geflogen sein.
In abgehörten Telefongesprächen zwischen Berlusconi und dem inzwischen festgenommenen Geschäftsmann Gianpaolo Tarantini prahlt der Regierungschef mit seiner Manneskraft. So habe er damit angeben, dass elf Frauen vor seinem Zimmer Schlange gestanden hätten. Er habe aber nur mit acht von ihnen geschlafen, weil "du es nicht mit allen treiben kannst".
Berlusconi gilt als begnadeter Selbstdarsteller, der sich für sein jugendliches Image mehreren Schönheitsoperationen unterzog und eine Haarverpflanzung durchführen ließ. Bereits sein Jurastudium finanzierte er sich als Pianist auf Kreuzfahrtschiffen und mit Auftritten als Sänger. Noch vor seinem Abschluss 1959 wurde Berlusconi Geschäftsführer eines Mailänder Bauunternehmens. 1961 machte er sich mit der Firma Cantieri Riuniti Milanesi selbstständig. Berlusconi etablierte sich schnell als Investor großer Wohn- und Geschäftskomplexe um Mailand.
Unternehmerische Erfolge im Mediensektor
In den 70er Jahren richtete Berlusconi sein unternehmerisches Interesse zunehmend auf den Mediensektor. Er war maßgeblich am Aufbau des Privatfernsehens in Italien beteiligt und vereinte bereits Mitte der 80er Jahre fast zwei Drittel der TV-Werbung Italiens in seiner Senderfamilie. Über die Holdings Fininvest und Mediaset ist Berlusconi an Filmproduktionsgesellschaften und Videotheken, Verlagen und Sportvereinen beteiligt. Von 1986 bis 2004 war er Präsident des Fußballvereins AC Milan.
Mit der Gründung seiner Partei Forza Italia (FI) trat Berlusconi 1994 in die Politik ein. Dabei halfen ihm auch seiner seichten Fernsehsender, die unverblümt Werbung für den Populisten machen. Bei den Wahlen im März 1994 wurde die FI mit 21,5 Prozent auf Anhieb stärkste Partei, Berlusconi konnte seine Regierung allerdings nur bis Dezember behaupten. Nach dem Rücktritt als Ministerpräsident arbeitete er am Aufbau eines stabileren Mitte-rechts-Bündnisses und gewann damit zwischen 1996 und 2001 sämtliche Kommunal- und Regionalwahlen.
Bei den Parlamentswahlen im Mai 2001 sicherte sich Berlusconis neues Bündnis Casa delle Libertà die absolute Mehrheit. Die FI wurde mit Abstand stärkste Partei, Berlusconi hatte das Amt des Regierungschefs bis 2006 inne.
Bereits seit Mitte der 90er Jahre liegt Berlusconi mit der italienischen Justiz im Dauerclinch. Zu den Vorwürfen gegen Berlusconi gehörten Meineid, Bestechung, illegale Parteienfinanzierung, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung und Mafiakontakte, ohne dass es in insgesamt elf Verfahren zu einer rechtskräftigen Verurteilung kam. Im Juni 2003 verabschiedete das Parlament unter Boykott der Opposition ein umstrittenes Immunitätsgesetz ("Lex Berlusconi") für die vier höchsten Amtsträger der Republik.
Nach dem Scheitern der Mitte-links-Koalition unter Ministerpräsident Romano Prodi gewann Berlusconi 2008 mit seiner neuen Partei Volk der Freiheit die vorgezogenen Neuwahlen und kehrte ins Amt des Ministerpräsidenten zurück.
Bruch mit ehemaligem Vertrauten Fini
Ein Zerwürfnis mit seinem ehemaligen Vertrauten Gianfranco Fini kostete Berlusconi die Mehrheit im Parlament. Zudem zog Fini im November vergangenen Jahres vier seiner Gefolgsleute aus dem Kabinett ab und schwächte die Regierung damit weiter.
Trotz der Gerichtsverfahren und Sexaffären sitzt der italienische Ministerpräsident derzeit fest im Sattel. Zuletzt hatte seine Partei Volk der Freiheit ihm den Rücken gestärkt und erklärt, sie unterstütze den Regierungschef weiterhin. Berlusconi hatte zuvor angekündigt, er wolle bis zur Wahl im Frühjahr 2013 im Amt bleiben.
Doch die wiederholten Angriffe auf seine Person und der Dauerbeschuss aus dem Justizapparat nagen offenbar auch an einem Mann mit einem solch ausgeprägten Ego wie dem von Berlusconi. In einem abgehörten Telefonat mit einem Zeitungsverleger brach sich kürzlich eine Frustration Bahn. "In ein paar Monaten verschwinde ich aus diesem Scheißland, von dem mir schlecht wird", soll der Regierungschef gepoltert haben. Doch Berlusconi wäre nicht Berlusconi, wenn er solche Ausfälle nicht einfach aussitzen könnte. Das sei eines dieser Dinge, die man am späten Abend mit einem Lächeln sage und nicht ernst meine, wurde er kurz darauf von italienischen Medien zitiert.
Vor vier Wochen wollte es der starke Mann aus Rom dann noch einmal wissen. Er verknüpfte eine Abstimmung über weitere Sparmaßnahmen mit der Vertrauensfrage. Das kalkulierte Muskelspiel ging auf: Die italienischen Parlamentarier stellten sich erneut hinter ihren Ministerpräsidenten. Aber dem Land geht es schlecht. Berlusconi hat weder die Kraft noch die politische Einsicht, um die tiefgreifenden Reformen durchzusetzen, die notwendig wären, um das Land aus der Krise zu führen. Er setzt weiterhin darauf, dass die Italiener seinen seichten Versprechungen Glauben schenken und sich mit ihm identifizieren. (dapd)
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.