Washington. .

Es war die verflixte siebte Fernseh-Debatte, die Rick Perry wohl endgültig das Genick brach. Der Gouverneur von Texas, vor drei Wochen noch der aufziehende Stern des Südens, hat sich im Norden selbst verbrannt.

Bloomberg TV, der Wirtschaftssender, und die angesehene Zeitung „Washington Post“ hatten die acht noch im Rennen befindlichen Kandidaten der republikanischen Partei um das Ticket für die US-Präsidentschaftswahl im November 2012 gestern Abend in das noch angesehenere Dartmouth-College in New Hampshire eingeladen. Zwei Stunden lang war die Diskussion von hochwertigen Fragen und fast durchweg mittelmäßigen wie ausweichenden Antworten geprägt. Zur Debatte stand die in Amerika zurzeit alles überlagernde Frage: Wer kriegt wie die Wirtschaft wieder flott? Wer schafft wie möglichst bald möglichst viele Arbeitsplätze?

Hier Mitt Romney zu schlagen, den ehemaligen Hedge-Fonds-Manager und Umfragen-Spitzenreiter, der Firmen zerschlagen und neue aufgebaut hat, bevor er Gouverneur von Massachusetts werden sollte, würde schwer werden. Perry verbaute sich aber bereits in den ersten Minuten den Weg. Perry kündigte an, er werde sein Heil in der Stärkung des Energiesektors suchen, wo im Handumdrehen über eine Million Arbeitsplätze zu schaffen sein. Wie und wo genau? Wird nicht verraten, sagte Perry allen Ernstes vor einem landesweit zuschauenden Publikum – und kündigte Details für den kommenden Freitag an. Dann will er woanders eine Rede halten. Ach so.

„Ich bin ein Anführer“

In diesem Moment entspannte sich bei dem für gewöhnlich in einem Ken-und-Barbie-Lächeln erstarrten Romney die Gesichtsmuskel-Rüstung. Und der Mann redete einfach drauf los. Die Moderatoren ließen ihm sogar durchgehen, dass er die schwierige Arbeitsplatz-Frage einfach so beantworte: „Man kann das Land und Washington nicht auf Spur bringen, wenn der Präsident kein Anführer ist. Ich bin ein Anführer.“

Bemerkenswert einig war sich der republikanische Achter in einer so noch nie gehörten Geringschätzung für den Chef der Notenbank, Ben Bernanke. Ohne nähere Angabe von Gründen wurde sein Rausschmiss angekündigt, falls ein Republikaner 2012 das Weiße Haus übernimmt. Wovon alle Beteiligten fest ausgehen. Denn alle acht, von denen man weiß, dass sie sich untereinander für Leicht- bis Ultra-Leichtgewichte halten, geben an, den Top-Job in Washington besser erledigen zu können als Barack Obama.

Präsident Obama ist an allem schuld

Apropos: Anstatt durchgerechnete eigene Konzepte zu präsentieren, verlegte sich die Runde auf die simple Tour, dem Amtsinhaber die alleinige Schuld für die Misere an den Arbeitsmärkten und beim Haushaltsdefizit in die Schuhe zu schieben. Obama muss weg – das können die Rep’s alle unterschreiben. Kleiner Schönheitsfehler: Ron Paul, libertärer und irgendwo liebenswürdig kauziger Anarchist aus Texas, sorgte kurzzeitig für Fremdschämen, als er daran erinnerte, dass auch von Republikanern geführte Regierungen (Reagan Bush I, Bush II) gehörig viele Mist gemacht hätten. Paul meint ohnehin, dass „ganze System sei am Ende“. Ausweg ohne Abschaffung der Notenbank? Für ihn undenkbar.

Lockerungsübungen verdankte die Runde zunächst nur Jon Huntsman. Der frühere Gouverneur von Utah und ehemalige Botschafter der USA in China nahm den einzigen afro-amerikanischen Bewerber am Tisch, Herman Cain, gehörig wegen dessen ziemlich an Friedrich Merz erinnerndes Steuerkonzept auf die Schippe. Cain, einst Chef der Kette „Godfather’s Pizza“, propagiert das 9-9-9-Modell. 9 Prozent Einkommenssteuer. 9 Prozent Unternehmenssteuer. 9 Prozent Mehrwertsteuer. Für alle. Einnahmeausfälle für den Staat? Halb so wild. Werden durch eine Welle von Firmengründungen ausgeglichen.

Huntsman: „Hört sich verlockend an. Ich dachte zunächst, damit war der Preis für eine Pizza gemeint.“ Gar nicht wahr, gab Cain zurück, „alles durchgerechnet“. Von wem? Schweigen.

Ziel: Weg mit der Gesundheits-Reform der Demokraten

Dafür antwortete Mitt Romney. Sein Konjunkturankurbelungs-Programm besteht aus mindestens 59 Punkten, die alle eines gemeinsam haben: Alles, was Obama gemacht hat, muss korrigiert werden. Vor allem die Gesundheits-Reform, die ab 2013 mit dem Missstand aufräumen will, dass im nominell reichsten Land der Erde noch immer Millionen ohne Krankenversicherung sind. Dann, so Romneys stereotype Botschaft, klappt’s auch mit dem Wachstum.

Im Gegensatz zu früheren Debatten wirkte Romney in sich ruhend. Mit Pathos und Schlagfertigkeit und der penetrant vorgetragenen Selbstbezichtigung Ich-kann-einfach-Präsident-und-ihr-alle-nicht erzeugte der wegen seines Mormonen-Seins zuletzt von einem republikanischen Pastor und Perry-Freund angefeindete Romney eine Distanz zwischen sich und der Meute. Echte Schienbeintritte der Konkurrenz blieben aus. Romney konnte es sich sogar leisten, Perry, dessen bestes Format eine von Live-Kameras dokumentierte Befragung unter Zeitdruck in diesem Leben nicht mehr wird, einfach zu ignorieren.

Die Höchststrafe holte sich Perry ab, als er Romney ans Leder wollte, weil dieser in Massachusetts im Grunde jene Gesundheitsreform angestoßen hatte, die Obama auf Landesebene erst noch etablieren will. Wenn der Oberste Gerichtshof ihn denn lässt. „Massachusetts hat ein Prozent Kinder ohne Krankenversicherung“, lächelt Romney Perry in Grund und Boden, „du hast eine Million Kinder.“ Noch Fragen?

Startvorteil XXL

Romneys Paraden kamen aber nicht von ungefähr. Er ging mit Startvorteil XXL ins Rennen.

Chris Christie, Gouverneur von New Jersey und bis vor seiner Absage vor wenigen Tagen der Hoffnungsträger weiter Teile der konservativen Wählergruppen, hatte sich wenige Stunden vor der den ganzen Tag beworbenen TV-Runde öffentlich für Mitt Romney ausgesprochen, der vieles auslösen mag. Nur keine heißen Herzen bei der Kern-Kundschaft der Republikaner. Christies Bekenntnis ist darum umso mehr ein „Care Paket“ von unschätzbarem Wert. Großspender, die bis zuletzt auf Christie gesetzt hatten, lenken ihre millionenschweren Wahlkampf-Spenden nun in den Romney-Topf. Und nicht nur Christie hat Übergewicht. Sein Wort in konservativen Kreisen auch.

Newt Gingrich, Rick Santorum wie auch die allmählich verblassende Ikone der Tea-Party-Bewegung, Michele Bachmann, die keinen Staat mehr kennen will, sondern nur noch freie Amerikaner, müssen das ähnlich gesehen haben. Alle, mit Ausnahme von Bachmann, haben die rhetorischen und intellektuellen Hebel, Romney in Verlegenheit zu bringen. Der Mann war schließlich, wie der Kolumnist Charles Blow dieser Tage nachwies, in der Vergangenheit schon so ziemlich für alles und auch, wenn hilfreich, beizeiten wieder dagegen.

Romney will den „Betrüger“ China bestrafen

Aber keiner ging auf Romney los. Auch nicht, als der gefühlte Obama-Herausforderer China mal eben als „Betrüger“ bezeichnete, den es zur Rechenschaft zu ziehen gelte, weil das Riesenreich sich standhaft weigere, seine Währung im Verhältnis zum Dollar aufzuwerten. Dem inflationären Intro von Romney – „am ersten Tag als Präsident werde ich....“ – folgte nie, nicht mal scherzhaft, die Frage: Und wie, lieber Parteifreund, willst Du das durch den Kongress kriegen?

Charlie Rose, einem der dienstältesten Moderatoren im US-Fernsehen, und seinen beiden Mitstreiterinnen kann man nur bedingt einen Vorwurf machen. Je klarer und unmissverständlicher sie ihre Fragen formulieren, desto eher nahmen sich die Kandidaten das Recht, um den heißen Brei zu reden. Oder mit pathetischen Worten die wunde amerikanische Seele zu streicheln.

Unübertroffen darin erneut Mitt Romney. Er wolle Amerika wieder zur mächtigsten Kraft auf diesem Planeten machen, weshalb es mit ihm auch keine Kürzungen am Verteidigungshaushalt geben werde. Wer weniger anstrebe, sagte er in Richtung Publikum, der solle ihn am besten gar nicht erst wählen. Das ist doch mal ein Wort.