Paris. . Frankreichs Sozialisten haben die Herausforderer von Präsident Sarkozy gekürt: Martine Aubry und François Hollande treten zur Stichwahl am kommenden Sonntag an. Eine echte Wechselstimmung lässt sich bei den Franzosen jedoch nicht verspüren.

Bei der Suche nach dem Herausforderer von Präsident Nicolas Sarkozy sind die französischen Sozialisten einen großen Schritt vorangekommen. Martine Aubry vs. François Hollande lautet das spannende Duell, das bei der Stichwahl am nächsten Sonntag steigen wird. Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen, in dem der alte Parteichef und seine Nachfolgerin aufeinandertreffen.

Bis zum 14. Mai dieses Jahres galt der damalige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn noch als großer Hoffnungsträger der Partei und sicherer Sarko-Herausforderer. Doch dann stolperte DSK, der „König der Umfragen“, über die Sex-Affäre in New York und die PS stand vor einem Scherbenhaufen. Vom Pech des Abgestürzten könnte nun François Hollande (57) profitieren, der in Runde 1 auf 39 Prozent kam und sich schon seit Wochen in der neuen Favoritenrolle sonnt. Seine Rivalin, die 61 Jahre alte Martine Aubry, erreichte zwar nur 31 Prozent, trotzdem bleibt das Rennen offen. Denn die spröde Bürgermeisterin von Lille, Tochter des legendären EU-Kommisssionspräsidenten Jacques Delors, könnte von der starken linken Grundstimmung in der Partei profitieren. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich das Lager des Drittplatzierten Arnaud Montebourg (17 Prozent) in der Stichwahl für Aubry aussprechen wird.

Letzter Wahlsieg der Sozialisten liegt schon 23 Jahre zurück

In den sechs Jahrzehnten der Fünften Republik haben die Sozialisten mit François Mitterrand erst einen Präsidenten in den Elysée geschickt. Der letzte Wahlsieg der PS liegt schon 23 Jahre zurück - eine kleine Ewigkeit. Doch nun, sechseinhalb Monate vor der nächsten Wahl, ist die Macht im Staate zum Greifen nahe. Die Beliebtheitswerte von Amtsinhaber Nicolas Sarkozy befinden sich nach wie vor im Keller. Viele seiner Versprechen von 2007 blieben unerfüllt, die Stimmung im Lande ist gedämpft. Das Außenhandelsdefizit erreicht ein Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit steigt und das Wirtschaftswachstum schwächelt. Ebenfalls bedrückend sind die anhaltenden Spekulationen über den Verlust der Triple-A-Bonität.

Zwar feiert sich François Hollande bereits als „Mann des Wechsels“, aber eine echte Wechselstimmung lässt sich nicht verspüren. Fast die Hälfte der Wähler sind unentschlossen. Dem beliebten und bodenständigen Abgeordneten aus dem Département Corrèze könnte es noch am ehesten gelingen, die Wähler der Mitte für sich zu gewinnen. Immer wieder beschwört er die Solidarität im Lande und prangert Ungerechtigkeiten an, er plädiert für einen Generationenpakt und umwirbt die Jugend. Doch wirksame Rezepte für die wirtschaftliche Heilung des Patienten Frankreich hat auch Hollande nicht zu bieten. Einerseits verspricht er einen ausgeglichenen Haushalt in fünf Jahren, andererseits will er 60.000 neue Lehrer einstellen.

„Mutter der 35-Stunden-Woche“

Besonders wolkig sind die wirtschaftspolitischen Vorstellungen Martine Aubrys. So will die „Mutter der 35-Stunden-Woche“ das Rad zurückdrehen, indem sie das soeben auf 62 Jahre angehobene Renteneintrittsalter wieder auf 60 senken will. Gleichzeitig schwadroniert sie von Konjunkturprogrammen, die sich angesichts der Verschuldung Frankreichs kaum finanzieren lassen.

Als größte Gefahr für die PS könnte sich in den verbleibenden Tagen vor dem Duell der mangelnde Respekt erweisen, den sich die Kontrahenten gegenseitig erweisen. Martine Aubry pflegt Hollande als „Weichei“ zu titulieren. Und auch Ségolène Royal, die Spitzenkandidatin von 2007, die jetzt abgeschlagen bei 6 Prozent landete und darüber bittere Tränen des Kummers verlor, machte sich über ihren Ex-Lebenspartner lustig: „Können die Franzosen eine Sache nennen, die er in seinem politischen Leben gepackt hat?“.

Stichwort „Offene Vorwahlen“

Die „Offenen Vorwahlen“ nach amerikanischem Vorbild sind ein Novum in der Geschichte der Fünften Republik. Chefideologen der „Parti Socialiste“ (PS) schwärmen schon von einer „Revolution“. Denn zum ersten Mal ermitteln nicht die rund 250.000 Parteimitglieder den Präsidentschaftskandidaten, sondern alle Wahlberechtigten, deren Herz für die Linke schlägt. In der ersten Runde am Sonntag gingen sechs Kandidaten ins Rennen, am nächsten Sonntag treten nun die beiden Besten an. 2,5 Millionen Linkswähler gingen in der ersten Ausscheidungsrunde an die Urnen. „Die Linke hat ihre Wahl gewonnen“, triumphiert die linksliberale Zeitung „Libération“ angesichts dieser beachtlichen Resonanz.