Paris. . Französische Sozialisten sehen ihr Idol schon wieder als Herausforderer von Präsident Sarkozy.
Sie nennen sich „les Strauss-Kahniens“: französische Sozialisten, die sich hinter den zum Hoffnungsträger der Partei aufgestiegenen Dominique Strauss-Kahn scharen. Seinen jähen Absturz vom aussichtsreichen Bewerber ums höchste Staatsamt zum unrasierten Häftling von Rikers Island erlebten sie wie einen Albtraum. Nun wollen sie ihr Idol „DSK“ zurück – am liebsten gleich ins Präsidentenamt.
Wochenlang haben sich die Anhänger ducken und in Demutshaltung üben müssen, für ihre trotzigen Treueschwüre ernteten sie schlimmstenfalls bitterböse Verachtung. Doch nun, nach dem zweiten sensationellen „Donnerschlag“ in der Causa, wähnen sie sich wieder oben auf. Und schon wird der Ruf laut, nun erst recht mit einem rehabilitieren Frontmann DSK in den französischen Präsidentschaftswahlkampf zu ziehen.
„Wir brauchen ihn, wir brauchen sein Talent, wir brauchen seine Kompetenz und seine Statur“, rühmt der frühere Kulturminister Jack Lang gegenüber dem TV-Sender „i-Tele“ die Qualitäten seines Parteifreundes. Eines Mannes, der bis zum 14. Mai als Direktor des New Yorker Währungsfonds (IWF) noch zu den Schlüsselfiguren zur Rettung des internationalen Finanzsystems zählte. Umfragen sahen den sozialistischen Politiker zudem als aussichtsreichsten Bewerber für die Präsidentschaftswahl 2012. Keinen Konkurrenten musste Amtsinhaber Nicolas Sarkozy so sehr fürchten wie DSK, den König der Meinungsumfragen.
Doch angesichts der drohenden Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung mussten sie in der PS-Parteizentrale die Weichen neu stellen. Neben Ségolène Royal, die bereits 2007 erfolglos gegen Nicolas Sarkozy antrat, erklärten zunächst François Hollande, der frühere Parteichef, und schließlich Martine Aubry, die amtierende Parteivorsitzende, ihre Kandidatur.
Angesichts der dramatischen Entwicklungen in New York wirkt Martine Aubry nun geradezu erleichtert. „Die Neuigkeiten erfüllen mich wie alle Freunde Dominiques mit großer Freude“, bekannte sie am Freitag in einer knappen Stellungnahme. Fragen, wie sich eine Wende im Fall DSK auf die Vorwahlen der Sozialisten auswirken werde, wich die Parteichefin allerdings aus.
Sozialisten aus der zweiten Reihe hingegen nehmen kein Blatt vor den Mund. Michèle Sabban etwa, eine bekannte Politikerin in der Hauptstadtregion „Ile de France“, regt an, die Vorwahlen auszusetzen und Strauss-Kahn das Wort zu erteilen. Der Abgeordnete Jean-Marie Le Guen, ein besonders leidenschaftlicher DSK-Sympathisant, hofft, dass man bald wieder mit Strauss-Kahn rechnen muss und dass der Rehabilitierte „den Franzosen wieder in die Augen schauen kann“.
Macho-Gesellschaft
Der Fall DSK geht in Frankreich jedoch längst über die parteipolitische Dimension hinaus. Nicht nur Frauenverbände, auch führende Polit-Magazine haben zuletzt die Entgleisungen der französischen Macho-Gesellschaft in den Vordergrund gerückt. Gestern war von Seiten französischer Feministinnen angesichts der sich andeutenden Wende allerdings keine Stellungnahme zu bekommen.
Angeprangert wurden Fälle, in denen die Mächtigen in Politik, Wirtschaft und Staat meist gegenüber Frauen in untergeordneter Position regelmäßig die rote Linie überschreiten. Infrage gestellt wird inzwischen sogar die Flirtkultur à la française, die sich in Jahrhunderten herausgebildet hat und zu Frankreich gehört wie prickelnder Champagner und gutes Essen.
Teures Appartement
Ob Strauss-Kahn wirklich vor einem Comeback steht, ist fraglich. Selbst wenn der Sex mit dem Zimmermädchen einvernehmlich gewesen sein sollte, hat die Affäre seinen Ruf nachhaltig beschädigt. Er gilt als notorisch untreuer Schürzenjäger, hinzu kommt sein luxuriöser Lebenswandel. Dass er für sein New Yorker Appartement eine Monatsmiete von 50 000 Euro hinblättert, ist für bodenständige Sozialisten völlig untragbar.