Sanaa. . Sie kämpft für die Demokratie im Jemen. Ihr Gegner ist der mächtige Präsident des Landes Ali Abdullah Saleh. Nun ist Tawakkol Karman mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Friedensnobelpreisgewinnerin Tawakkol Karman (32) ist die bekannteste Sprecherin der jemenitischen Demokratiebewegung. Die Mutter dreier Kinder ist Mitbegründerin der Organisation „Journalistinnen ohne Ketten“ und setzt sich seit Jahren für die Menschenrechte in ihrer Heimat ein.
Seit der Rückkehr von Präsident Ali Abdullah Saleh vor einer Woche wird im Jemen geschossen und gekämpft. Wie ist die Situation in Sanaa?
Tawakkol Karman: Die Lage wird ständig schlechter. Wir wissen nicht, was Saleh vorhat. Wir erwarten, dass er noch härter gegen uns Demonstranten vorgehen wird. Aber wir werden uns nicht einschüchtern lassen.
Was als friedlicher Aufstand begann, eskaliert zu einem Bürgerkrieg. Wie ist die Stimmung unter den Aktivisten?
Wir sind trotz allem optimistisch. Wir werden nicht aufgeben. Dass Saleh in den Jemen zurückgekehrt ist, war ein Geschenk des Himmels. So kann er uns nicht mehr entkommen. So können wir ihm und seinem Sohn den Prozess machen. Eine tunesische Lösung wie bei Ben Ali, der von Saudi-Arabien geschützt wird und zu Hause nicht vor Gericht gestellt werden kann, wird es im Jemen nicht geben.
Wie sicher sind Sie persönlich?
Ich bekomme viele Drohungen, aber ich bin sicher. Sie schießen von den Dächern auf uns. Ständig werden Revolutionäre verhaftet, ins Gefängnis geworfen oder ihre Wohnungen verwüstet. Aber ich habe keine Angst. Wir alle wissen, dass wir für das Ziel der Freiheit auch persönlich einen Preis bezahlen müssen.
Keine Amnestie für Präsident Saleh und seine Familie
Die Initiative der Golfstaaten für einen Machtübergang in Jemen sieht vor, Saleh im Gegenzug für einen Amtsverzicht Straffreiheit zu garantieren. Wie sehen Sie das?
Wir lehnen eine Amnestie für Saleh und seine Familie total ab. Das ist und bleibt eine Kernforderung unserer Revolution.
Im Kampf um die Macht schießen momentan drei Lager aufeinander - die Familie des Präsidenten Saleh, der abtrünnige General Ali Mohsen al-Ahmar sowie die Kämpfer der mächtigen Ahmar-Stammeskonföderation. Die Jugendbewegung scheint ins Abseits geraten. Ist ihre Revolution von Bewaffneten gekidnappt worden?
Wir beteiligen uns nicht an diesen Kämpfen. Wir lehnen jede Gewalt ab. Unsere Revolution ist friedlich und wird friedlich enden. Wir fordern alle Seiten auf, die Gewalt zu stoppen. Wer uns unterstützt, wer bei uns mitmachen will, darf keine Waffe tragen. Das sagen wir jedem, der hierher kommt. Wir leben nun seit acht Monaten auf der Straße in Zelten und haben unsere Erfahrungen gesammelt. Wir sind es, die die Unterstützung der Bevölkerung haben. Darum können Bewaffnete uns die Revolution nicht aus der Hand nehmen.
Zehntausende campieren im Zentrum der Hauptstadt Sanaa
Sind sie an irgendwelchen Verhandlungen über einen Machttransfer beteiligt?
Nein. Mit dem Saleh-Lager gibt es keinerlei Gespräche. Wir haben wie in Libyen einen Nationalen Übergangsrat gebildet, der das Land nach einem Rücktritt Salehs übergangsweise führen soll. Wir sprechen mit den Oppositionsparteien, um unsere Basis zu vergrößern. Wir werben für internationale Unterstützung. Aber wir lehnen jeden militärischen Eingriff von außen kategorisch ab.
Seit Januar campieren Sie und zehntausende junger Leute nun schon in Zelten im Zentrum von Sanaa. Das Regime setzt auf Gewalt, Abnutzung und Ermüdung seiner Gegner. Wie lange können sie das noch durchhalten?
Es kann noch lange dauern, aber das ist uns egal. Saleh ist ein Dieb und ein Krimineller. Im Kampf um die Macht ist er zu allem entschlossen. Mit seiner Rückkehr aber hat er nun das Schicksal Gaddafis gewählt. Am Ende werden wir ihn fangen und für seine Verbrechen zur Verantwortung ziehen.