Rom. .

Freudestrahlend macht sich Amanda Knox nach dem Freispruch auf den Weg in die USA. Die Familie des Opfers dagegen ist nach dem Urteil des Berufungsgerichts fassungslos. Die Staatsanwaltschaft will den Freispruch anfechten.

Amanda Knox ist auf dem Weg nach Hause. Nach vier Jahren Haft unter Mordverdacht hat die 24-Jährige Italien als freier Mensch verlassen. Sie flog von Rom über London in die USA, wie Unterstützer berichteten. Vor der Abreise bedankte sie sich bei allen, „die mein Leid geteilt und mir geholfen haben, mit Hoffnung zu überleben“.

Für die fassungslose Familie des Opfers jedoch sind wieder alle Fragen offen. Die Anklage will gegen den Freispruch bis in die höchste Instanz gehen.

Knox will einmal nach Italien zurückkehren

Im November 2007 war die 21 Jahre alte britische Austauschstudentin Meredith Kercher in ihrem Zimmer in Perugia sexuell misshandelt und mit einem Messer umgebracht worden. Verhaftet und in einem Sensationsprozess zu 26 beziehungsweise 25 Jahren Haft verurteilt wurden ihre Mitbewohnerin Knox und deren damaliger italienischer Freund Raffaele Sollecito. Ein dritter Beschuldigter, Rudy Guede, erhielt in einem separaten Verfahren 16 Jahre.

War Knox im ersten Prozess noch keck aufgetreten und von den Medien als „Engel mit den Eisaugen“ apostrophiert worden, zeigte sie sich im Berufungsverfahren blass und zurückhaltend. Das Verfahren endete am Montagabend überraschend mit Freisprüchen erster Klasse für sie und Sollecito. Grund war vor allem eine Neubewertung der DNA-Spuren, die offensichtlich schlampig gesichert worden waren und der Überprüfung nicht standhielten.

Bei der Urteilsverkündung brach Knox in Tränen aus und wurde von ihren Verteidigern gestützt. Noch am selben Abend brachte sie ein Wagen vom Gefängnis in Perugia nach Rom. Sie sei die Fahrt über heiter gewesen und habe versichert, dass sie später wieder einmal nach Italien kommen wolle, sagte Corrado Maria Declon, Generalsekretär der Stiftung Italien-USA, die die Angeklagte unterstützt hatte.

Familie des Opfers ist geschockt

Im Gegensatz zur freudigen Erleichterung im Knox-Lager wirkten die Angehörigen des Opfers wie vor den Kopf geschlagen. Meredith’ Schwester Stephanie weinte, ihre Mutter Arline starrte vor sich hin. „Wir respektieren die Entscheidung der Richter, aber wir begreifen nicht, wie die Entscheidung des ersten Prozesses so radikal umgestoßen werden konnte“, erklärten die Kerchers. „Wir haben immer noch Vertrauen in das italienische Justizsystem und hoffen, dass die Wahrheit einmal herauskommen wird.“

Die Familie glaubt nicht, dass der verurteilte dritte Mann der alleinige Täter gewesen sein kann. „Wenn die zwei gestern Freigelassenen nicht die Schuldigen waren, dann müssen wir uns natürlich weiter die Frage nach dem oder den anderen Schuldigen stellen. Wie stehen wieder ganz am Anfang“, sagte der Bruder Lyle Kercher. „Das war schon ein Schock“, sagte seine Schwester Stephanie. „Das regt uns sehr auf... Wir haben immer noch keine Antworten.“

Staatsanwalt will Urteil anfechten

Staatsanwalt Giuliano Mignini konnte das Urteil kaum glauben und schwor, es in höchster Instanz anzufechten. „Lassen Sie uns abwarten und sehen, wer recht hat: das erste Gericht oder das Berufungsgericht“, sagte er der Nachrichtenagentur AP. „Dieser Prozess fand unter unannehmbarem Druck der Medien statt. Die Entscheidung wurde fast sofort bekannt gegeben, das ist nicht normal.“ (ap)