Perugia. . Wegen Mordes an ihrer Mitbewohnerin wurde Amanda Knox 2009 zu 26 Jahren Haft verurteilt. Doch die als „der Engel mit den Eisaugen“ weltweit bekannt gewordene Studentin beteuert ihre Unschuld. Am Montag endet der Berufungsprozess in Perugia.
Die Verteidigung der wegen Mordes in erster Instanz verurteilten Amerikanerin Amanda Knox hat in ihrem Schlussplädoyer den italienischen Medien vorgeworfen, sie hätten seine Mandantin „gekreuzigt“. Dem Berufungsgericht in Perugia solle nicht bange sein, eine Fehlentscheidung zu korrigieren, sagte Carlo Dalla Vedova am Donnerstag. Das Urteil wird für Montag erwartet.
Knox sei ein unschuldiges Mädchen und das Opfer eines „tragischen Gerichtsfalls“, in dessen Folge sie mehr als 1000 Tage hinter Gittern verbracht habe, sagte Dalla Vedova. Knox wurde im Dezember 2009 schuldig gesprochen, 2007 ihre britische Mitbewohnerin Meredith Kercher sexuell genötigt und anschließend getötet zu haben. Dafür wurde sie zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihr damaliger Freund, der Italiener Raffaele Sollecito, wurde zu 25 Jahren verurteilt. Beide bestreiten die Vorwürfe.
Schnell wurde aus der jungen Frau der „Engel mit den Eisaugen“
Schon kurz nach ihrer Festnahme am 6. November 2007 wurde Knox nicht zuletzt wegen ihres Äußeren zum Medienereignis. Italienische Berichterstatter nannten sie wegen ihres kindlichen und zugleich undurchdringlichen Gesichtsausdrucks „Engel mit Eisaugen“. Galt sie den einen als verkommen, so schilderten die anderen sie als naive junge Frau, die einen juristischen Albtraum durchlebte.
Wenig zufrieden über die Medien äußerte sich in ihrem Schlussplädoyer auch die Staatsanwaltschaft. So sprach Giuliano Mignini von einer immer stärker werdenden Unterstützung für Knox durch die Medien.
„Sie war ziemlich ängstlich“
Anlässlich des Berufungsprozesses war auch Knox’ Familie nach Italien gereist, hatte die junge Frau im Gefängnis besucht und an einigen Anhörungen teilgenommen. „Wir haben sie gestern besucht und sie war ziemlich ängstlich“, sagte ein sichtlich trauriger Curt Knox, der Vater. „Aber es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass alle meine Töchter wieder zusammen waren.“
Die Familie des Opfers ist in den Jahren des Prozesses weitgehend ruhig geblieben – kurz vor dem Urteil im Berufungsprozess meldete auch sie sich jedoch zu Wort. Die Aufmerksamkeit solle sich auf Gerechtigkeit für das Opfer richten statt auf Knox oder deren Ex-Freund Raffaele Sollecito, forderten Kerchers Schwester Stephanie und ihre Mutter Arline in einem ihrer seltenen Fernsehinterviews. „In diesem ganzen Fall, der sich vier Jahre hinzieht, ist Meredith in Vergessenheit geraten“, klagte Stephanie Kercher kürzlich im italienischen TV-Sender RAI. „Die Aufmerksamkeit hat sich vollkommen von Meredith auf Amanda und Raffaele verlagert“, sagte sie. „Sie war lieb und nett und wir haben sie verloren.“
Meredith Kercher kam im September 2007 nach Perugia
Meredith hatte an ihrer Uni hart um den Studienaufenthalt in Italien kämpfen müssen. Im September 2007 traf sie in Perugia ein und war ganz aus dem Häuschen, ein Zimmer mit Ausblick auf die Landschaft Umbriens gefunden zu haben. Sie teilte sich die Wohnung mit zwei jungen Italienerinnen und Knox, die etwa um die gleiche Zeit einzog.
Kercher fand schnell Freunde, wie aus den Zeugenaussagen des ersten Verfahrens hervorgeht. Innerhalb weniger Wochen hatte sie einen kleinen Kreis britischer Freundinnen, mit denen sie tanzen und ins Kino ging. Und sie begann sich mit einem jungen Italiener zu treffen, der unter ihr wohnte, Giacomo Silenzi. Sie hätten sich rasch ineinander verliebt, sagt er, und fragt sich, was aus ihnen hätte werden können.
Sexspielchen unter Drogen
Am letzten Abend ihres Lebens war Meredith mit ein paar Freunden Pizza essen, sah sich einen Film an und ging den Aussagen zufolge gegen 21 Uhr alleine nach Hause. Am 2. November nachmittags wurde sie in ihrem abgeschlossenen Zimmer gefunden, nackt unter einer Decke auf dem Fußboden liegend, mit durchgeschnittener Kehle. Sie war 21 Jahre alt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sexspielchen unter Drogeneinfluss mit den zwei Angeklagten und einem weiteren Mann aus dem Ruder liefen und Meredith dabei umgebracht wurde. Die Kerchers sind von Knox’ Schuld überzeugt und zornig darüber, dass sie im Mittelpunkt des Interesses steht. „Ich bin selbst Journalist, ich weiß schon, warum. Knox ist jung, attraktiv und eine Frau. Viele halten es für unwahrscheinlich, dass sie eine Mörderin sein soll“, schrieb Meredith’ Vater John Kercher voriges Jahr im Dezember zum Auftakt des Berufungsverfahrens in einer britischen Zeitung. „Doch für meine Familie ist sie schuldig, eindeutig.“
Für die Familien des Opfers und der Angeklagten liegt der Fall jeweils klar. Die Richter in Perugia werden ihr Urteil am Montag fällen. (dapd)