Rom. . Ein italienisches Berufungsgericht hat die wegen Mordes und Vergewaltigung verurteilte US-Studentin Amanda Knox freigesprochen. Nun will die 24-Jährige wieder nach Hause und ihr Leben in die Hand nehmen.

Nach dem Freispruch will Amanda Knox nur noch eines: nach Hause fahren und wieder ein selbst bestimmtes Leben führen. Das sagte ein Freund der 24-jährigen Amerikanerin, die am Montag von einem italienischen Berufungsgericht freigesprochen worden war. Nach dem Urteil brach die 24-jährige Amerikanerin in Tränen aus.

Corrado Maria Daclon, Generalsekretär einer Stiftung, die sich Knox' Freilassung eingesetzt hat, begleitete die 24-Jährige am Montag auf der Fahrt aus dem Gefängnis in der italienischen Stadt Perugia. Knox habe gesagt, sie wolle heim zu ihrer Familie, ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen und ihr Glück zurückgewinnen, sagte Daclon. Der mit der Amerikanerin befreundete italienische Abgeordnete Rocco Girlanda sagte, Knox werde gemeinsam mit ihrer Familie am Dienstag von Rom aus in die USA fliegen.

"Ich habe nicht gemordet."

Ein Berufungsgericht hatte die gegen die Amerikanerin verhängte langjährige Haftstrafe wegen Mordes an der Britin Meredith Kercher aufgehoben. Auch das Urteil gegen ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito wurde gekippt. „Ich habe nicht gemordet, ich habe nicht vergewaltigt. Ich zahle mit meinem Leben für Dinge, die ich nicht getan habe.“ Das waren die Worte am Montagmittag, 3. Oktober 2011, die Amanda Knox den Richtern und Geschworenen mit auf den Weg gab, bevor sich das Gericht zur Beratung zurückzog. Immer wieder muss die 24-Jährige, die in erster Instanz zu 26 Jahren Haft verurteilt wurde, eine Pause einlegen, weil ihre tränenerstickte Stimme kein Weiterreden mehr zulässt.

Auch ihr damaliger Freund, Raffaele Sollecito (27), der zu 25 Jahren Haft verurteilt wurde, wiederholt erneut vor Gericht, dass er an dem Mord der Britin nicht beteiligt war. „Wir sind unschuldig, gebt uns unser Leben zurück.“ Seit vier Jahren sitzen er und seine damalige Freundin in der mittelitalienischen Stadt Perugia in Haft, obwohl beide von Anfang an beteuert haben, mit dem brutalen Verbrechen nichts zu tun zu haben.

Bestialischer Mord

Verurteilt wurden sie in erster Instanz, weil sie Amandas Mitbewohnerin und Kommilitonin Meredith Kercher in der Nacht zum 1. November 2007 bestialisch ermordet haben sollen. Die Polizei fand die damals 21-Jährige mit 40 Messerstichen und durchschnittener Kehle regelrecht hingemetzelt in dem Haus, das beide Studentinnen bewohnten. Kercher wurde ermordet, vermutete der Staatsanwalt, weil sie sich weigerte, bei Sexspielen mitzumachen. Schon bald wird der Öffentlichkeit die hübsche Amanda Knox nur noch als der „Engel mit den Eisaugen“ präsentiert. „Meine Mandantin ist öffentlich gekreuzigt worden“ stellt in der Schlussverhandlung ihr Anwalt Luciano Ghirga fest.

Der langwierige Indizienprozess verlief kompliziert - von Anfang an. Denn die Amerikanerin Knox verwickelt sich in Widersprüche, beschuldigt den Besitzer der Bar, in der sie jobbte, des Mordes. Doch der kann ein astreines Alibi vorweisen, ist unschuldig. Während des elfmonatigen Prozesses kommt heraus, dass die Amerikanerin mit Mitteln verhört wurde, die absolut unzulässig sind. „Wenn man bestimmte Verhörmethoden anwendet, gibt jeder früher oder später Dinge zu, die er absolut nicht gemacht hat“, sagt ein früherer Chef der Geheimpolizei am Rande des Prozesses. Die Aussagen, die Amanda Knox beim Verhör gemacht hat, dürfen in dem Prozess nicht verwendet werden. Ein Motiv ist den Beschuldigten nicht nachzuweisen, nicht einmal, dass die Amerikanerin überhaupt am Tatort war.

Verurteilt wird Rudy Guede

Verurteilt wird in einem gesonderten Verfahren ein dritter Beschuldigter: der ursprünglich von der Elfenbeinküste stammende Rudy Guede. Er ist der Polizei als Kleinkrimineller und Dealer bekannt und wird anhand von Beweisen überführt und verurteilt, denn von ihm werden an und in der Leiche eindeutige DNA-Spuren gefunden. Er muss für 16 Jahre hinter Gitter.

Vor Monaten wird das Berufungsverfahren im Fall Amanda Knox und Raffaele Sollecito zugelassen. Das Gericht selbst bestimmt zwei unabhängige Gutachter. Sie sollen überprüfen, ob in dem Indizienprozess die Spuren am Tatort überhaupt als Beweise gelten können. Beide Gutachter kommen zu dem selben Ergebnis: Die Spurensicherung hat dermaßen schlampig gearbeitet, dass die DNA-Proben vom Tatort definitiv nicht verwendet werden können.