Rom. . Im Berufungsverfahren gegen die wegen Mordes verurteilte Amerikanerin Amanda Knox gibt es eine Wende: Zwei Sachverständige haben ausgesagt, dass am Tatort gesammelte Spuren verunreinigt seien. Die Spurensicherung sei schlampig durchgeführt worden.

Sensationelle Wende im Fall der verurteilten amerikanischen Studentin Amanda Knox (24) und ihres damaligen Freundes Raffaele Sollecito (27), die in Italien wegen Mordes hinter Gittern sitzen. „Es gibt definitiv keine Spuren, die verwendet werden können“ betonten gestern vor dem Berufungsgericht die beiden Universitätsprofessoren Stefano Conti und Carla Vecchiotti, die als Sachverständige gehört wurden.

„Ich will leben, gebt mir die Freiheit zurück.“ Diesen Hilferuf schrie Amanda Knox (24) im Herbst vergangenen Jahres in die Welt. Seit dreieinhalb Jahren sitzt die amerikanische Studentin im mittelitalienischen Perugia im Knast – verurteilt zu 26 Jahren Haft. Genau so wie ihr damaliger Freund Raffaele Sollecito, der 25 Jahre absitzen muss. Mehrfach betonten die Sachverständigen heute, dass sowohl das Messer, als auch der BH des Opfers durch die Spurensicherer so verunreinigt worden seien, dass Beweise anhand von DNA-Spuren schlicht nicht möglich seien.

Kommilitonin wurde mit 40 Messerstichen hingemetzelt

Es ist die Nacht des 1. November 2007, als die englische Austauschstudentin Meredith Kercher bestialisch ermordet wird. Sie war Kommilitonin von Amanda Knox, teilte sich die Wohnung mit der Amerikanerin und zwei weiteren Italienerinnen. Die Polizei findet die 21-Jährige halbnackt, mit 40 Messerstichen und durchschnittener Kehle regelrecht hingemetzelt.

Amanda Knox und ihr damaliger Freund werden als dringend tatverdächtig festgenommen. Die Amerikanerin gibt Widersprüchliches zu Protokoll. Dann beginnt nicht nur ein langwieriger Indizienprozess. Knox ist bildhübsch und heißt in der Öffentlichkeit schnell „Engel mit den Eisaugen.“ Während des elf Monate dauernden Prozesses wird von der Presse alles registriert, kommentiert und vor allem interpretiert: Was sie sagt, was sie trägt, wie sie guckt.

Obwohl sie und Raffaele Sollecito, ein Musterstudent kurz vor dem Examen, von Anfang an behaupten, sie seien unschuldig und hätten mit dem Mord nicht das Geringste zu tun, laufen sowohl die öffentliche Meinung als auch das Verfahren gegen sie. Drogen, Sex und ein eiskaltes Gemüt hält man für die Antriebsfedern, die zu dem Mord führten. Die Annahme, das Opfer habe bei ausufernden Sexspielen nicht mitmachen wollen, deshalb habe es sterben müssen, wird die Grundthese für den Indizienprozess.

Mafiosi wollen die Täter kennen

In dem Verfahren wurde einzig und allein der ursprünglich von der Elfenbeinküste stammende Rudy Guede anhand von Beweisen überführt und verurteilt. Von ihm fand man an und in der Leiche eindeutige DNA-Spuren. Er war nach der Tat in Deutschland festgenommen worden. Nach einem Teilgeständnis wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt.

Mittlerweile meldeten sich zwei verurteilte Schwerverbrecher aus dem Knast zu Wort – einer von ihnen ein Mafioso – die angeblich wissen, wer der wirkliche Täter ist. Den beiden Aussagen wird kein großer Wahrheitsgehalt zugesprochen. Wohl aber den Gutachtern. Im Berufungsverfahren hatte das Gericht Experten benannt, die die DNA-Proben noch einmal untersuchen sollten. Das hatte die Verteidigung beantragt, die die Proben des ersten Verfahrens als nicht aussagekräftig eingeordnet hatte.

Die beiden Rechtsmediziner konnten beweisen, dass die Spurensicherung schlampig durchgeführt wurde. Laut Aussage eines DNA-Experten müssen bei der Spurensicherung für jedes neue Detail auch neue Handschuhe verwendet werden. Am Tatort wurde dagegen sogar mit verunreinigten Handschuhen gearbeitet. Der Indizienprozess stützte sich darauf, dass am möglichen Mordmesser DNA-Spuren von Amanda Knox, am Häkchen des BH des Opfers DNA-Spuren von Sollecito gefunden wurden. Das kann jetzt nicht mehr aufrecht erhalten werden.