Freiburg. .

Die dritte Station des Deutschland-Besuches war die sonnigste seiner Reise. Wärme, die ans Herz ging. Aber Freiburg brachte auch kühle Klarheit für die Kirche in Deutschland.

Festtags-Geläut erklang vom Münster, als der Papst in vorfuhr. Die Menschen schwenkten ihre weiß-gelben Fähnchen. „Ich bin glücklich, dass ich bei Euch sein darf“, sagte der Papst auf dem Münsterplatz, „und von der Sonne erleuchtet und erwärmt.“ Badische Gastfreundschaft schlug ihm tausendfach entgegen. Gastgeber Erzbischof Robert Zollitsch strahlte vor Glück.

„Ich weiß nicht, ob ich das noch einmal erlebe“, sagt eine ältere Freiburgerin. Auch Anne Bauer, 64, hat sich „anstecken lassen“, obwohl sie doch evangelisch ist. Sie kommt in Hochschwarzwälder Tracht, im schwarzem wadenlangen Kleid mit goldener Verzierung und einem großen Hut. „Ich fand das aufregend.“

Benedetto-Rufe

Später am Abend erschallen sie dann endlich auch, die Benedetto-Rufe. Der Papst feiert eine Vigil, eine Nachtandacht mit Jugendlichen. Gut 30 000 junge Menschen sind auf das Messe-Gelände gekommen. „Ich habe mich den ganzen Tag auf diesen Abend gefreut“, ruft er ihnen zu. Seine Stimme ist an diesem Abend klar und fest, obwohl er schon unzählige Begegnungen hinter sich hat, auch mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl.

Und die Nacht davor muss kurz gewesen sein. Spät abends hatte er noch in Erfurt Missbrauchs-Opfer getroffen. Die Aussprache sei sehr intensiv gewesen, sagen Teilnehmer später. Es sei geweint worden. Der Papst sei tief erschüttert gewesen über das, was den Opfern widerfahren ist.

Begeisterung bei den Jugendlichen

In der Andacht mit den jungen Menschen trifft er augenscheinlich den richtigen Ton. Er ruft sie auf, zu ihrem Glauben zu stehen, nicht „laue Christen“ zu sein. Begeisterung bei den Jugendlichen, aber nicht mehr als höfliche Zurückhaltung beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Es war eine halbe Stunde, die der Papst sich für dieses Treffen genommen hat. Alois Glück, ZdK-Vorsitzender, hat sehr sorgsam formuliert, aber dennoch kein Blatt vor den Mund genommen. Die Kirche müsse nach dem Schock über den Missbrauchsskandal wieder Glaubwürdigkeit zurückgewinnen, der angestoßene Dialog-Prozess sei so etwas wie eine rettende Chance auf diesem Weg. Und dann sprach er davon, dass die breite Mitte der Kirche nach einer Seelsorge der Barmherzigkeit rufe, nach „Zuwendung zu Menschen, die Brüche in ihrem Leben erfahren haben“, wie etwa wiederverheiratet Geschiedene, die nicht zur Kommunion dürfen.

Krise des Glaubens

„Spannend wäre gewesen“, sagt Claudia Lücking-Michel nach dem Gespräch, „wenn der Papst konkrete Antworten darauf gegeben hätte. Die gab es aber nicht.“ Er antwortet mit einer vorgefertigten Rede. Aber die ließ auch an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. In Deutschland sei die Kirche bestens organisiert. Es gebe einen „Überhang an Strukturen“. Aber: „Die eigentliche Krise der Kirche in der westlichen Welt ist eine Krise des Glaubens“. Der Glaube müsse erneuert werden, nicht die Kirche. Ähnlich deutlich ist seine Predigt auf dem Freiburger Flughafen. Die Erneuerung der Kirche könne nur durch einen „erneuerten Glauben“ kommen. Der Papst rief die Gläubigen zum „Studium des Katechismus der katholischen Kirche“ auf, also zum Lesen der Kirchenlehre.

Freiburg – für viele Katholiken wird es eine schwierige Station bleiben.

Ruhrbischof Overbeck ist „angetan“

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck konnte den Papst vier Tage lang aus allernächster Nähe erleben. „Der Papst war sehr wach und gleichzeitig sehr aufmerksam bei dem, was er gehört hat“, sagte der Bischof von Essen der WAZ. Immerhin sei Benedikt XVI. 84 Jahre alt und das Programm extrem umfassend gewesen. „Es ist sehr deutlich geworden, dass das ein politischer und ein seelsorglicher Besuch war.“

Seine Bilanz dieses Besuches fällt ohne Einschränkung positiv aus: „Ich bin angetan von der Aufmerksamkeit der Leute, und ich bin angetan davon, dass wir als katholische Kirche so viel Aufmerksamkeit erfahren haben; dass es so viele Menschen gibt, die sich mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen.“ Besonders beeindruckend sei für ihn die Rede gewesen, die der Papst vor dem Bundestag hielt. „Der Papst hat seine Kritiker überrundet, indem er in idealer Weise das Recht in der freiheitlichen Gesellschaft begründet hat.“ Benedikt habe es geschafft, einen Bogen von der ökologischen Bewegung zur Ökologie des Menschen zu spannen – und das nicht ohne Humor.

Falsche Erwartungen

Die Enttäuschung der Protestanten über die Begegnung in Erfurt ist indes auch dem Bischof nicht verborgen geblieben. „Ich habe schon im Vorfeld davor gewarnt, die Erwartungen zu hoch zu schrauben“, gibt er zu bedenken. Es seien auch „falsche Erwartungen“ geweckt worden.

Ebenso wie bei der Debatte nach Kirchen-Reformen. Die Rede des Papstes vor dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken sieht er keineswegs als entmutigend an. „Der Dialog ist eine sinnvolle Initiative“, stellt Overbeck, der eher zu den Konservativen in der Kirche gerechnet wird, klar. „Aber wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen.“ Es ginge zunächst um eine Erneuerung des Glaubens. Erst danach könne es weitere Schritte geben, sagt e der Essener Bischof.