Jerusalem/Washington. .
Derzeit versuchen Diplomaten aus aller Welt die Palästinenser davon abzubringen, die volle Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen zu beantragen. Israel befürchtet eine einseitige Grenzziehung, die USA einen Gesichtsverlust. Die Zeichen stehen auf Sturm.
US-Präsident Barack Obama steckt in der Bredouille. Wenn der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas kommende Woche in New York versucht, den Status der Palästinenser aufzuwerten, gibt es für Washington keinen gesichtswahrenden Ausgang mehr. Entweder legen die USA im Sicherheitsrat ein Veto ein und setzen damit in der arabischen Welt die mühsam verbesserten Beziehungen aufs Spiel. Oder Obama riskiert einen Bruch mit Israel, der ihm im bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf teuer zu stehen käme. Der Präsident setzt deshalb auf eine Verständigung zwischen Israel und der PA. Danach sieht es aber zurzeit nicht aus.
Der palästinensische Außenminister Riad al Malki wirkte entspannt, als er am Donnerstag exakt den Beginn der nächsten Nahostkrise vorhersagte: „Am Freitag den 23. September um 12.30 Uhr wird Mahmud Abbas nach seiner Ansprache vor der Generalvollversammlung die volle Mitgliedschaft in der Uno beantragen“, sagte Malki in seinem Büro in Ramallah.
Diplomaten versuchen alles
Israel und die USA betrachten einen solchen Schritt als Vertragsbruch und drohen mit schweren Konsequenzen. Seit Wochen versucht die internationale Diplomatie deswegen fieberhaft, den Gang der PA nach New York noch in letzter Minute zu verhindern.
Nach Bundesaußenminister Guido Westerwelle touren derzeit mindestens vier hochrangige Unterhändler der USA, der EU und des Nahostquartetts (bestehend aus EU, USA, Russland und der Uno) durch die Region, um Abbas umzustimmen. Allen Bemühungen zum Trotz weckte Malki den Eindruck, alles sei entschieden: „Wir haben uns entschlossen, den Kampf zurück in die Uno zu verlegen.“ Damit stehen die Zeichen in Nahost auf Sturm.
„Wir haben keine Verträge mit Palästina“
„Vierzehn Jahre Friedensprozess waren nutzlos. Seit zwei Jahren gibt es noch nicht einmal Verhandlungen. Wir können nicht einfach abwarten, während Israel neue Fakten schafft“, erläuterte Malki den Beschluss. „Jeden Tag werden mehr Gebiete annektiert und mehr Siedlungen gebaut. Bis Israel sich dazu entscheidet, mit uns zu verhandeln, bleibt kein Land mehr übrig, über das man verhandeln könnte.“ Der Gang zur Uno könne ein „neues Momentum für Verhandlungen schaffen und den Friedensprozess retten“, meinte Malki.
Israel und die USA hingegen fürchten die Konsequenzen eines solchen Schritts: „Ein Palästinenserstaat sollte in Verhandlungen entstehen, nicht durch einseitige Diktate“, sagte Mark Regev, Sprecher des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, dieser Zeitung. Israelis fürchten, dass die Palästinenser ihnen einseitig Grenzen aufzwingen wollen, die nicht ihren Sicherheitsbedürfnissen gerecht werden. Ferner solle ein Staat dann entstehen, wenn klar sei, dass die Palästinenser danach keine weiteren Forderungen an Israel mehr stellen. Jerusalem und Washington drohen mit schweren Gegenmaßnahmen: „Wir haben keine Verträge mit einem Staat Palästina“, so eine Quelle im israelischen Außenministerium. Jede Kooperation mit der PA würde eingestellt. Dazu gehören Projekte in Wirtschaft, Sicherheit, Forschung und Medizin.
Moscheen in Brand gesteckt
Einseitiger Grenzziehung von Seiten Ramallahs werde man mit Annektierung von Teilen des Westjordanlands begegnen. Washington und Jerusalem, die wichtigsten Quellen für das Budget der PA, wollen den Geldhahn zudrehen. Die USA überweisen der PA jährlich rund 600 Millionen Dollar Entwicklungshilfe, Israel mehr als 100 Millionen Dollar an Zöllen, die sie für die PA eintreibt. Es ist unklar, wie eine finanziell gebeutelte PA dann noch Gehälter zahlen wird. „Die arabischen Nationen werden helfen“, sagt Riad al Malki.
Die Israelis fürchten, dass es nach der Ausrufung des Palästinenserstaates zu gewaltsamen Massendemonstrationen kommen wird. Auch Siedler heizen die Lage an und stecken immer öfter Moscheen, Autos und Olivenhaine in Brand.