Essen. . Einige Vermögende fordern eine Sondersteuer für Reiche und in Deutschland die Vermögensteuer wieder einzuführen. Wirtschaftsforscher äußern Bedenken und rechnen mögliche Einnahmen vor.
Einige Reiche und Vermögende fordern in Deutschland höher besteuert zu werden, um die Staatsverschuldung sozial auszugleichen. Wie viel Geld könnte eine Steuer für Superreiche dem Staat bringen?
Wo steht Deutschland bei vermögensbezogenen Steuern im internationalen Vergleich?
Diese Steuern beinhalten Grundsteuern, Vermögensteuer (in Deutschland seit 1996 ausgesetzt), Erbschaft- und Kapitalverkehrsteuern. Der Anteil dieser Steuern beträgt hierzulande 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist im Vergleich zum Durchschnitt in den Industrieländern von 1,9 Prozent sehr niedrig. In Frankreich sind es drei, in Großbritannien sogar vier Prozent.
Warum gibt es in Deutschland keine Vermögensteuer mehr?
Sie war 1996 ausgesetzt worden, weil sie Kapitalvermögen stärker belastete als Immobilien, deren Wert meist zu niedrig angesetzt war. Dies wertete das Bundesverfassungsgericht als nicht verfassungskonform. Zuletzt nahm der Staat durch sie 4,6 Milliarden Euro ein.
Wie viel Mehreinnahmen brächte ihre Wiedereinführung?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat unterschiedliche Szenarien für einen Vermögensteuersatz von einem Prozent errechnet. Die für die Betroffenen großzügigste Variante erlaubte dem Vermögenden einen Freibetrag von einer Million Euro (Kinder 250 000 Euro) und gestattete zusätzlich einen für Unternehmensvermögen von fünf Millionen Euro. Davon wären 332 000 Steuerzahler betroffen, die dem Staat ein Plus an Steuereinnahmen von 14 Milliarden Euro bringen würden.
Was spricht dagegen?
Die Superreichen könnten Wege finden, ihr Vermögen in Steuerparadiese im Ausland zu schaffen oder auch persönlich das Land verlassen, argumentiert das DIW. Außerdem sei die Bewertung von Vermögen sehr arbeitsaufwändig, da für Unternehmen und Immobilien oft keine Marktwerte verfügbar sind, so das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Dazu bestehe die Gefahr, dass Immobilienbesitzer zusätzliche Steuern auf ihre Mieter umlegen. Somit könnte die Reichensteuer auch weniger Vermögende treffen.
Was wäre also möglich?
Ohne die Vermögensteuer komplett auszuschließen, plädiert DIW-Steuerexperte Stefan Bach für ein breiteres Maßnahmenbündel, um das Steueraufkommen zu erhöhen. Dazu zählt die Erhöhung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge von 25 auf 30 Prozent. „Das bringt drei bis vier Milliarden mehr.“ Die Rücknahme der Ausnahmegenehmigungen bei der Erbschaftsteuer (Vergünstigungen bei Betriebsvermögen) „könnte zu Mehreinnahmen von zwei bis drei Milliarden führen“.
Und der Spitzensteuersatz?
Würde der Spitzensteuersatz von 45 Prozent nicht erst ab einem Jahreseinkommen von 250 000 Euro, sondern ab 100 000 Euro fällig werden, könnte der Staat so „einen einstelligen Milliardenbetrag“ zusätzlich einnehmen, so Stefan Bach. Insgesamt, schätzt der Steuerexperte, könnten durch die aufgeführten Maßnahmen 15 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen werden.