Paris. . Die Staatsanwaltschaft will einige oder alle Anklagepunkte gegen Strauss-Kahn fallen lassen. Wird die Anklage wegen Vergewaltigung aufgehoben, könnte Strauss-Kahn auf die politische Bühne zurückkehren.
Die „Affäre DSK“ ist derart spannungsgeladen, dass selbst winzigste Details größte Aufmerksamkeit genießen. Als der ehemalige Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Sonntag mit Ehefrau Anne Sinclair seine zur Festung ausgebaute Wohnung in Manhattan verlässt, setzt er ein zufriedenes Lächeln auf. Eine Gefühlsregung, die die Fotografen als sicheres Indiz dafür werten, dass sich Dominique Strauss-Kahn (62) von tonnenschwerem Ballast befreit sieht.
Schon schießen auf der anderen Seite des Atlantiks, in der französischen Hauptstadt, die Spekulationen ins Kraut: Steht DSK vor einem politischen Comeback?
Vor der New Yorker Sex-Affäre galt der ehemaligen Wirtschafts- und Finanzminister als Favorit für die Präsidentschaftswahl 2012. In allen Umfragen lag der Sozialist weit vorn. Und nun? Eine große Mehrheit in der sozialistischen Partei sehnt seine Rückkehr in die Politik herbei, nicht wenige sehen den gestolperten Hoffnungsträger gar schon in der aussichtsreichen Rolle des Präsidentschaftskandidaten.
Zwar ist die Meldefrist für die Vorwahlen abgelaufen. Aber François Hollande, einer der sechs Kandidaten, schloss am Montag gegenüber dem Radiosender „France Inter“ nicht aus, dass DSK nachträglich ins Rennen einsteigen könnte: „Das kommt auf ihn an.“
Schmutzige Wäsche
Steiler Aufstieg, jäher Fall, sensationelles Comeback? Doch selbst wenn Strauss-Kahns Weste in New York juristisch reingewaschen wird, bleiben Zweifel an seiner Eignung für Spitzenämter in der Republik. In Paris ist in den letzten drei Monaten so viel schmutzige Wäsche gewaschen worden, dass sein Image nachhaltig beschädigt ist. DSK werden ein ausschweifendes Sexleben und unzählige Frauengeschichten nachgesagt. Aber offenbar hat der charmante Liebhaber noch ein zweites Gesicht: das des Busengrapschers. Einige halten ihn gar für sexsüchtig. Die Schriftstellerin Tristane Banon (32) erstattete im Juli Anzeige gegen Strauss-Kahn, weil er sie 2003 zu vergewaltigen versucht habe. „Er war wie ein geiler Schimpanse“ berichtete sie im französischen TV.
Dominique Strauss-Kahn selbst hält sich bislang zurück. Die Journalisten, die sich in der New Yorker Franklin Street vor der Luxus-Suite aufgebaut haben und den Polit-Promi vergeblich um ein Statement bitten, erleben ihn aber aufgeräumt und erleichtert. „Ich kann Ihnen nichts sagen“, so der einstige Hoffnungsträger der Sozialisten knapp, um sogleich im Taxi zu verschwinden. Derselbe Mann, den die US-Justiz vor hundert Tagen regelrecht vorführte, der -- unrasiert, niedergeschlagen und gefesselt – ein jämmerliches Bild abgab, steht nun unmittelbar davor, als unbescholtener Bürger aus dem finsteren Affären-Tunnel herauszutreten.
Zweifel am Opfer
Am 14. Mai hatten sie den Franzosen auf dem John F. Kennedy-Airport im Flugzeug verhaftet, weil er Nafissatou Diallo, ein 32 Jahre altes Zimmermädchen, im New Yorker Sofitel vergewaltigt haben soll. Von einem Tag auf den anderen landet der ehedem einflussreichste Banker der Welt als Untersuchungshäftling auf der Gefängnisinsel Rykers Island. Doch Ende Juni kommen massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers auf. Während die Frau behauptet, zum Oralsex gezwungen worden zu sein, beteuert DSK, dass er einvernehmlich erfolgt sei.
Wenn Staatsanwalt Cyrus Vance jr. die Anklage nun tatsächlich fallen lässt, könnte der Politiker – juristisch rehabilitiert -- die nächste Maschine nehmen, die USA verlassen und in seine französische Heimat zurückfliegen. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hat am Montagabend beantragt, dass einige oder alle Anklagepunkte gegen den ehemaligen IWF-Chef fallen gelassen werden. Weitere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.